Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmungsersetzung (Eingruppierung)

 

Leitsatz (amtlich)

In einem Gemeinschaftsbetrieb entsteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in dem Zeitpunkt, in dem die Leitungsvereinbarung getroffen wird. Nur der einheitliche Leitungsapparat gewährleistet dem Betriebsrat einen für alle den verschiedenen Vertragsarbeitgebern zugewiesenen Belegschaftsmitgliedern zuständigen Ansprechpartner.

Der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm – vorliegend § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG – darf nicht dadurch vereitelt werden, dass der Arbeitgeber eine rechtliche Gestaltungsmöglichkeit missbräuchlich verwendet.

 

Normenkette

BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Beschluss vom 28.10.2008; Aktenzeichen 7 BV 40/08)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 28.10.2008 – 7 BV 40/08 – teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 2) nicht berechtigt ist, seine Zustimmung zur Eingruppierung der ab dem 01.04.2008 neu eingestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Auszubildenden deshalb zu verweigern, weil diese nicht nach dem für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Auszubildenden der Arbeiterwohlfahrt Kreisverbandes Essen e. V. und der AWO Pflege gGmbH geltenden Eingruppierungssystem eingruppiert und vergütet werden.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragstellerin zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit ihrem Antrag begehrt die Antragstellerin im Wesentlichen die Ersetzung der Zustimmung zu Eingruppierungen von zuletzt noch 11 Arbeitnehmern.

Die Antragstellerin firmierte zunächst unter dem Namen „Servicepartner Gesellschaft für ambulanten Dienste und Gastronomie mbH. Gegenstand des Unternehmens war ausweislich der Satzung (Bl. 207 der Akte) das Angebot von Serviceleistungen für alte, behinderte und kranke Menschen, insbesondere der Betrieb, die Verpachtung und die Unterhaltung von Objekten der Gastronomie, Kiosken und ähnlichen Einrichtungen. Tatsächlich beschränkte sich die Geschäftstätigkeit der Antragstellerin bis Ende 2007 im Wesentlichen auf die Vermietung bzw. Verpachtung von wenigen Kiosken und Einrichtungen. Aufgrund des geringen Betätigungsfeldes wurden neben dem Geschäftsführer keine Arbeitnehmer beschäftigt.

Alleingesellschafter der Antragstellerin ist der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Essen e.V. (im Folgenden: AWO Kreisverband). Zwischen diesen beiden bestand seit dem 07.10.2003 ein Dienstleistungsvertrag. Wegen des Inhalts des Vertrages im Einzelnen wird auf Bl. 373 – 374 der Akte Bezug genommen.

Am 17.10.2007 fand eine Sitzung des AWO Kreisverbandes statt. Während dieser Sitzung erfolgte gleichzeitig eine Gesellschafterversammlung der Antragstellerin.

Auf dieser Sitzung wurde beschlossen, den Unternehmensgegenstand der Antragstellerin satzungsmäßig um folgende Leistung zu ergänzen:

„Gegenstand ist weiter die Erbringung personeller und sächlicher – nicht genehmigungspflichtiger – Serviceleistungen für den Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Essen e.V. sowie dessen Tochtergesellschaften.”

Ausweislich der Sitzungsvorlage für den Kreisvorstand (Bl. 204 – 205 der Akte), in der nach Darstellung des Erfordernisses der Kostenersparnis vorgeschlagen wurde, zukünftige Mitarbeiter bei der Servicepartner GmbH anzustellen, wurde unter anderem ausgeführt:

„Die Bedingungen für die Personalgestellung der Servicepartner GmbH an die AWO oder die AWO Pflege gGmbH werden in einem Vertrag über die betriebliche Zusammenarbeit vereinbart, in dem die Personalgestellung, die Erstattung der Personalkosten sowie eine Umlagenberechnung geregelt sind. Da der AWO Kreisverband Essen, die AWO Pflege gGmbH und die Servicepartner GmbH als Gemeinschaftsbetrieb geführt werden (Organschaft in Leitungspersonen und Funktionen) wird auch die Zuständigkeit des Betriebsrates der AWO Essen auf die Servicepartner GmbH begründet. Alle Betriebsvereinbarungen, die bisher mit dem Betriebsrat der AWO Essen abgeschlossen wurden, sollen auch für die Servicepartner GmbH gelten”.

Ausweislich der zur Akte gereichten Tagesordnung für die Sitzung des Kreisvorstandes vom 17.10.2007 (Bl. 187 der Akte) war unter Ziffer 7. d) als Tagesordnungspunkt der „Vertrag über die betriebliche Zusammenarbeit” aufgeführt. In der Sitzung wurde sodann ein „Vertrag über betriebliche Zusammenarbeit zwischen der AWO Essen, der AWO Pflege und der Servicepartner GmbH” im Entwurf vorgelegt, der unter anderem folgende Vereinbarungen vorsieht:

㤠1

Die Vertragsparteien führen einen gemeinsamen Betrieb. Insofern ist auf die Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat vom … zu verweisen.

§ 2

Die Vertragsparteien setzen ihre Arbeitnehmer unter einheitlicher Leitung gemeinsam zur Führung und dem Betrieb der Einrichtungen der AWO Essen und der AWO Pflege gGmbH.”

Wegen des Inhalts des Vertrags im Einzelnen wird auf Bl. 237 der Akte Bezug genommen.

Des weiteren wurde unter dem Tagesordnungspunkt 7. f der Entwurf einer Betriebsvereinbarung vorgelegt, in der die Führung eines...

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