Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Änderung der Rechtswegzuständigkeit bei späterem Auswechseln der Klagebegründung. Unbeachtlichkeit nachfolgender Änderung der Klagebegründung bei sic-non-Fällen. Eventualantrag im Kündigungsrechtsstreit gegen mehrere Kündigungen. Auslegung der Klageanträge gegen fristlose und fristgerechte Kündigung. Ausrichtung des Hilfsantrags am Hauptantrag im Kündigungsrechtsstreit bei Begründung des zuständigen Gerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Liegt bei Rechtshängigkeit der Klage ein den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten begründender, sog. sic-non-Fall vor, führt nach dem Grundsatz der perpetuatio fori ein späteres Auswechseln der Klagebegründung nicht mehr zum Wegfall der bei Klageerhebung begründeten Rechtswegzuständigkeit, soweit damit nicht auch eine Änderung des Streitgegenstands und mithin eine Klageänderung einhergeht oder schon die ursprüngliche Begründung des Rechtsweges über eine sic-non-Konstellation ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich gewesen sein sollte.
2. In der Regel wird bei Ausspruch einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und Angriff beider Kündigungen in einer Kündigungsschutzklage davon auszugehen sein, dass der die ordentliche Kündigung betreffende Feststellungsantrag als uneigentlicher Hilfsantrag unter der Bedingung des Obsiegens mit dem gegen die außerordentliche Kündigung gerichteten Hauptantrag gestellt sein soll; das gilt im Wege der Antragsauslegung in der Regel auch dann, wenn dieses Eventualverhältnis weder in der Antragstellung noch in der Antragsbegründung ausdrücklich Erwähnung findet. Anträge, die in dieser Weise in einem zulässigen Eventualverhältnis stehen, dürfen nicht nach § 145 ZPO getrennt werden. Erfolgt gleichwohl eine solche Verfahrenstrennung nach Anhörung der Parteien und ohne dass die klagende Partei auf die Unzulässigkeit wegen eines Eventualverhältnisses hinweist, kann für den die ordentliche Kündigung betreffenden Streitteil allerdings als Ausnahme zu vorstehender Regel nicht von einer Eventualantragstellung ausgegangen werden.
3. Hilfsanträge folgen der Rechtswegzuweisung für den Hauptantrag, bis der Bedingungseintritt erfolgt. Dann ist ggfs. über den Rechtsweg für den (früheren) Hilfsantrag in einem neuen Vorabentscheidungsverfahren zu befinden. Ein den Hauptantrag betreffender, früherer Rechtswegbeschluss entfaltet insoweit keine Bindungswirkung.
Normenkette
GVG §§ 17, 17a; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b); KSchG § 1; BGB § 626; ZPO §§ 145, 253, 261, 263; KSchG §§ 4, 7; ZPO § 91 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 13.03.2023; Aktenzeichen 1 Ca 1129/21) |
Tenor
I.
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 04.04.2023 wird der Rechtswegbeschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 13.03.2023 - Az.: 1 Ca 1129/21 - abgeändert und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 14.026,67 € festgesetzt.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren noch über die Beendigung ihres Geschäftsführer-Anstellungsverhältnisses durch die hilfsweise mit Schreiben der Beklagten vom 28.10.2021 zum 30.06.2022 erklärte ordentliche Kündigung sowie in diesem Zusammenhang über den Rechtsweg zu den Arbeits- oder den ordentlichen Gerichten.
Die ebenfalls im Kündigungsschreiben vom 28.10.2021 erklärte außerordentliche, fristlose Kündigung war ursprünglich ebenfalls Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Durch bestandskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 31.01.2022 wurden der diese betreffende Feststellungsantrag ebenso wie weitere Zahlungsanträge aus dem hiesigen Verfahren abgetrennt, im abgetrennten Verfahren der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten mangels Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit an das Landgericht Duisburg verwiesen. Die hiergegen von Klägerseite eingelegte sofortige Beschwerde wurde mit Beschluss der erkennenden Beschwerdekammer vom 19.07.2022 - 3 Ta 127/22 - zurückgewiesen, so dass die Verweisung bestandskräftig geworden ist.
Die Klägerin hat ursprünglich die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage allein auf die Rüge der fehlenden sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG gestützt (Klageschrift vom 10.11.2021, Seite 2). Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Oberhausen vom 09.02.2023 hat sie erklären lassen, den gegen die ordentliche Kündigung gerichteten Klageantrag nicht mehr auf die Anwendbarkeit des KSchG, sondern nunmehr auf § 626 BGB zu stützen. Zudem hat sie die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Duisburg beantragt, um beide Streitteile (außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.10.2021) dort verhandeln und entscheiden zu lassen.
Die Klägerin hat mit der Klageschrift vom 10.11.2021 - soweit im vorliegenden Verfahren noch anhängig - folgende Klageanträge angekündigt:
- festzustelle...