Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsgebühr. Rücknahme der Kündigung. Vergleich
Leitsatz (amtlich)
Eine Einigungsgebühr i. S. d. Nr. 1000 VV RVG entsteht auch dann, wenn die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits sich per Vergleich darauf verständigen, dass ihr Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.
Normenkette
RVG VV Nrn. 1000, 1003
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Beschluss vom 01.07.2005; Aktenzeichen 5 Ca 979/05) |
Tenor
1. Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers vom 05.07.2005 wird der (richterliche) Beschluss des Arbeitsgerichts Duisburg vom 01.07.2005 – 5 Ca 979/05 –, zugestellt am 05.07.2005, aufgehoben.
2. Der Zurückweisungs-Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.06.2005 wird (teilweise) abgeändert, soweit das Arbeitsgericht die beantragte Einigungsgebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer außer Ansatz gelassen hat.
3. Das Verfahren wird zur Neuentscheidung über den Vergütungsfestsetzungsantrag des Antragstellers/Beschwerdeführers an das Arbeitsgericht Duisburg/Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zurückverwiesen.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
5. Für die Antragsgegnerin wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Tatbestand
I.
Mit Kündigungsschutzklage vom 05.04.2005 und Klageerweiterung vom 27.04.2005 wandte sich der Kläger des Ausgangsrechtsstreits gegen die Been digung seines Arbeitsverhältnisses mit den Anträgen,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 31.03.2005 nicht aufgelöst worden ist, sondern weiterhin fortbesteht;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch sonstige Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist, sondern weiterhin fortbesteht;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26.04.2005 nicht aufgelöst worden ist, sondern weiterhin fortbesteht.
Zugleich stellte er Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dem das Arbeitsgericht entsprach. Im nachfolgenden Gütetermin erklärte die Beklagte zu Protokoll, aus den streitgegenständlichen Kündigungen keinerlei Rechte mehr herzuleiten. Die Kündigungen seien gegenstandslos. Sodann schlossen die Parteien folgenden Vergleich:
- Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht und die ausgesprochenen Kündigungen gegenstandslos sind.
- Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
Im vorliegenden Verfahren auf Festsetzung der Anwaltsvergütung im PKH-Verfahren (§ 55 RVG) hat das Arbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bezirksrevisors die Festsetzung einer Einigungsgebühr abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die (befristete) Beschwerde des Antragstellers gegen den richterlichen Beschluss des Arbeitsgerichts ist zulässig: Sie ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für die außer Ansatz gelassene Einigungsgebühr übersteigt 200,00 EUR. Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG einzuhaltende Rechtsmittelfrist von zwei Wochen ab Zustellung ist gewahrt.
2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors und des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss ist im vorliegenden Fall eine Einigungsgebühr (Nr. 1000, 1003 VV RVG) entstanden. Sie entsteht nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
a) Dass es sich bei der Einigung der Parteien über die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses um einen Vertrag handelt, durch den sie ihren Streit über ein Rechtsverhältnis beseitigt haben, ist unzweifelhaft. Der Streit zwischen ihnen über die Rechtswirksamkeit der Kündigung und über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses wurde einvernehmlich beigelegt.
b) Diese vertragliche Einigung beschränkte sich auch nicht ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder auf einen Verzicht einer der beiden Parteien. Zunächst fehlt es insoweit bereits an entsprechenden Erklärungen. Insbesondere hat die Beklagte des Ausgangsrechtsstreits den prozessualen Anspruch des dortigen Klägers nicht anerkannt (vgl. § 307 Abs. 1 ZPO). Darüber hinaus haben die Parteien hier mit ihrer Vereinbarung über den Fortbestand und die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses mehr geregelt, als es der Beklagten einseitig etwa durch ein Anerkenntnis möglich gewesen wäre, indem sie beispielsweise die Kündigung als rechtsunwirksam anerkannt und zurückgenommen hätte. Da es sich bei der Kündigung um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, kann sie nach Zugang vom Kündigenden nicht mehr einseitig zurückgenommen werden (vgl. u. a. BAG vom 19.08.1982 – 2 AZR 230/80 – AP § 9 KSchG 1969 Nr. 9, zu II 2 a der Gründe). Um das hiermit angestrebte Ziel zu ...