Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des herrschenden Unternehmens bei Vermögenslosigkeit einer beherrschten, in Konkurs befindlichen GmbH
Leitsatz (amtlich)
Kann bei Bestehen eines Beherrschungsverhältnisses eine abhängige GmbH ihre Vergütungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 615 S. 1 BGB ihren Arbeitnehmern gegenüber wegen Vermögenslosigkeit nicht erfüllen, haben diese, solange sich die abhängige GmbH in Konkurs befindet, gegen das herrschende Unternehmen allenfalls einen Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 303 Abs. 1 S. 1 AktG analog (im Anschluß an OLG Karlsruhe vom 07.08.1992 – 15 U 123/91 – in ZIP 1992, 1394 ff.).
Normenkette
AktG §§ 302-303
Verfahrensgang
ArbG Krefeld (Urteil vom 30.10.1995; Aktenzeichen 4 Ca 1956/95) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 30.10.1995 – 4 Ca 1956/95 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 01.01.1988 bei der Firma A. GmbH, die damals noch „P. GmbH” firmierte, als Leiter der Arbeitsvorbereitung beschäftigt. In seiner Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Firma stellte der Beklagte beim Amtsgericht C. in B. am 28.02.1995 Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma A. GmbH. Am gleichen Tag kündigte die vorgenannte Firma das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betriebsbedingten Gründen zum 31.08.1995. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Berlin. Der Kündigungsrechtsstreit ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen, nachdem das Amtsgericht C. durch Beschluß vom 30.04.1995 – 36 N 600/95 – den Konkurs über das Vermögen der Firma A. GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin) eröffnet und Herrn Rechtsanwalt Dr. W. in B. zum Konkursverwalter bestellt hatte.
Durch Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 14.06.1995 verlangte der Kläger von dem Beklagten die Zahlung seines Maigehalts 1995 und drohte zugleich Klage für den Fall an, daß die Zahlung bis zum 28.06.1995 nicht erfolgt sei. Zur Begründung für die Inanspruchnahme des Beklagten berief sich der Kläger in diesem Schreiben auf einen am 22.12.1976 zwischen der Firma P. GmbH und der Firma M. GmbH … & Co. KG R., die ihren Sitz in M.
hat und im Handelsregister des Amtsgerichtes Neuss unter H R A 2919 eingetragen ist, als herrschender Gesellschaft abgeschlossenen „Organschaftsvertrag mit Ergebnisabführungsvertrag”. Die Gesellschafterversammlung der Gemeinschuldnerin stimmte diesem Vertrag am 09.12.1992 zu.
In dem vorgenannten Vertrag heißt es unter Ziffer 4 „Gewinn- und Verlustübernahmevertrag” im Abschnitt 1:
Der von der P. GmbH festzustellende Jahresgewinn wird nicht verteilt, sondern an die M. KG abgeführt.
Sollte in einem Jahr die Bilanz der P. GmbH einen Verlust ausweisen, so wird dieser von der M. KG übernommen und gedeckt.
Die Firma M. GmbH D. & Co. KG R. firmiert inzwischen ausweislich der Eintragung im Handelsregister vom 20.10.1993 unter „M. KG, Nachf.G. „. Alleininhaber dieser Firma ist nach dieser Eintragung der Beklagte.
Mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 26.06.1995 wies der Beklagte das Zahlungsverlangen des Klägers vom 14.06.1995 als unbegründet zurück.
Mit seiner dem Beklagten am 25.07.1995 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst seine Gehälter für die Monate Mai, Juni und Juli 1995 über jeweils DM 5.895,– brutto geltend gemacht. Mit einem dem Beklagten am 24.10.1995 zugestellten Schriftsatz hat der Kläger unter Hinweis auf ein Schreiben des Konkursverwalters Dr. S. vom 18.05.1995, wonach sein Gesamtgehalt nach Abschluß der Tarifverhandlungen der B. ab dem 01.05.1995 DM 6.025,– brutto betrage, die Klage um DM 390,– brutto erhöht.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten:
Anstelle der in § 303 Abs. 1 Satz 1 AktG, der auf den GmbH-Konzern entsprechend Anwendung finde, vorgesehenen Verpflichtung zur Sicherheitsleistung trete eine unmittelbare Zahlungsverpflichtung des herrschenden Unternehmens, falls die abhängige Gesellschaft vermögenslos sei. Die Vermögenslosigkeit stehe zwar in aller Regel erst fest, wenn das Konkursverfahren endgültig abgeschlossen sei. Im Streitfall sei ihm jedoch nicht zuzumuten, bis zu diesem Zeitpunkt zu warten.
In diesem Zusammenhang behauptet der Kläger
Der Konkursverwalter Dr. S. habe auf der Gläubigerversammlung vom 12.06.1995 erklärt, daß die vorhandenen Aktiva eventuell ausreichen könnten, die Gehalts- und Lohnansprüche der Beschäftigten der Gemeinschuldnerin für die Monate Februar, März und April 1995 zu befriedigen. Seiner Auffassung nach sei es ausgeschlossen, daß derartige Ansprüche für spätere Zeiträume beglichen würden. Das Konkursverfahren sei frühestens Ende 1996 abgeschlossen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, DM 18.075,– zuzüglich 4 % Zinsen seit 27.06.1995 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat u.a. gemeint:
Dem Kläger könne ein eigener Anspruch gegen ihn nicht zustehen. Gläubigerin eines Anspruchs auf Verlustausgleich sei allein die Gemeinschuldnerin al...