Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. regelmäßige Arbeitszeit. Berücksichtigung von Überstunden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erbringt ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mehreren Monaten (hier 12 Monate) regelmäßig Arbeitsleistungen von 12 Stunden pro Tag bzw. 60 Stunden in der Woche, obwohl die tarifliche Wochenarbeitszeit nur 39 Stunden beträgt, so handelt es sich bei der tatsächlich angefallenen Arbeitszeit um die für ihn maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 4 Abs. 1 EFZG.

2. In diesem Fall kommt eine Kürzung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 4 Abs. 1 a EFZG nicht in Betracht.

 

Normenkette

EFZG § 4 Abs. 1, 1a; Bezirksmanteltarifvertrag Güternahverkehr NRW § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 16.09.1999; Aktenzeichen 3 Ca 2988/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.11.2001; Aktenzeichen 5 AZR 247/00)

 

Tenor

1) Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 16.09.1999 – 3 Ca 2988/99 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung des Klägers von ihm geleistete „Mehrarbeit” zu berücksichtigen ist.

Der am 11.05.1962 geborene Kläger ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 27.02.1989 seit dem 24.01.1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag der Parteien heißt es unter anderem:

4. Als Vergütung für seine/ihre Tätigkeit erhält der/die Mitarbeiter/in während des Probearbeitsverhältnisses einen Stundenlohn in Höhe von 13,00 DM brutto.

Nach der Probezeit beträgt der Stundenlohn DM 13,35 brutto.

Der Stundenlohn setzt sich zusammen aus dem Tariflohn des Lohntarifvertrages sowie einer anrechenbaren übertariflichen Zulage, wobei die übertarifliche Zulage keine Leistungszulage ist. Mit der übertariflichen Zulage sind sämtliche Überstundenzuschläge abgegolten.

9. Grundlage dieses Vertrages ist der Bezirks-Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Speditions-, Lagerei- und Transportgewerbes des Landes NRW sowie der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Speditions-, Lagerei- und Transportgewerbe des Landes NRW in der jeweils gültigen Fassung, sowie kraft Nachwirkens (§ 4 Abs. 5 TVG); die jeweils geltenden Tarifverträge sind im Lohnbüro ausgelegt.

Für 13 Krankheitstage im März 1999 vergütete die Beklagte dem Kläger arbeitstäglich nur 7,8 Stunden, was einen Betrag von DM 1.926,60 brutto entsprach (vgl. hierzu die Abrechnung auf Blatt 5 der Akten).

Mit seiner am 08.07.1999 beim Arbeitsgericht Wuppertal anhängig gemachten Klage hat der Kläger Entgeltfortzahlung auf der Basis von 11,40 Stunden pro Tag geltend gemacht und eine Restvergütung von DM 889,20 brutto errechnet.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die von ihm in der Vergangenheit geleisteten täglichen Arbeitsstunden seine „regelmäßige” Arbeitszeit im Sinne des § 4 Abs. 1 EFZG darstellten und nicht als Überstunden gemäß § 4 Abs. 1 a EFZG anzusehen wären.

Hierzu hat er vorgetragen, dass er in den Monaten Dezember 1998 bis Februar 1999 durchschnittlich 11,40 Stunden pro Tag gearbeitet hätte. Diese Arbeitszeit beruhe auf einer individuellen Vereinbarung gemäß § 2 Ziffer 2 des auf das Arbeitsverhältnis einwirkenden Bezirksmanteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens vom 15.06.1994 (BZMTV) und müsse demgemäß in die Berechnung der Entgeltfortzahlung einfließen. Keinesfalls handele es sich um Überstunden im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, zumal er seit Beginn des Jahres 1998 durchgängig und durchschnittlich über 11 Stunden Arbeitszeit pro Tag erbracht hätte.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 889,20 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.04.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Rechtsauffassung des Klägers entgegengetreten und hat ihrerseits gemeint, dass die über 7,8 Stunden pro Tag hinausgehende Arbeitszeit als Überstunden im Sinne der gesetzlichen Regelung zu werten sei. Dies folge nicht nur aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 a EFZG, sondern vor allem aus der Historie und dem Sachzusammenhang, in dem die Norm zu sehen sei.

Mit Urteil vom 16.09.1999 hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Wuppertal – 3 Ca 2988/99 – dem Klagebegehren in vollem Umfang entsprochen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die für den Kläger maßgebliche Arbeitszeit 11,40 Stunden pro Tag betrage (die im Urteil dargestellten 11,66 Stunden dürften ein Schreibfehler sein). Demgemäß handele es sich bei der über 7,8 Stunden hinausgehenden Arbeitszeit gerade nicht um Überstunden, zumal sie nie als solche ausgewiesen und behandelt worden seien.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 19.10.1999 zugestellte Urteil mit einem am 19.11.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 17.12.1999 eingegangenen S...

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