Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Regelungen. Abgrenzung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und einzeln ausgehandelten Vertragsklauseln. Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Aushandelns von Vertragsklauseln
Leitsatz (amtlich)
1. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vorformulierten Vertragsklauseln im Einzelnen ausgehandelt sind, obwohl sie vorformuliert wurden, trägt deren Verwender. Ein "Aushandeln" setzt mehr als "Verhandeln" voraus. Der Verwender muss den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen.
2. Grundsätzlich ist für jede einzelne Klausel festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB gegeben sind oder nicht. Auch ein teilweises Entgegenkommen des Klauselverwenders gegenüber dem Vertragspartner, ohne den Kerngehalt der durch die Geschäftsbedingung getroffenen Regelung ernsthaft zur Disposition zu stellen, stellt kein Aushandeln der gesamten Regelung dar.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1 S. 3, § 307 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 09.09.2015; Aktenzeichen 8 Ca 213/15) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.09.2015 - 8 Ca 213/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Provisionen für die Geschäftsjahre 2011/2012 und 2012/2013.
Der Kläger war seit dem 01.10.2006 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der G. Europe GmbH beschäftigt. Er wurde eingestellt als Verkaufsleiter Deutschland. Der zugrunde liegende Arbeitsvertrag vom 25.07./07.08.2006 enthielt unter § 6 "Arbeitsvergütung" die folgende Regelung:
"(1) Der Arbeitnehmer erhält eine Jahres Bruttovergütung in Höhe von:
Grundgehalt Euro 101.250,00,
zuzüglich einer variablen Vergütung bei 100 % Zielerreichung in Höhe von Euro 48.750,00.
Unter Zugrundelegung von 13,5 Gehältern (incl. Urlaubs- und Weihnachtsgeld) ergibt dies ein monatliches Grundgehalt in Höhe von Euro 7500,00.
Das Monatsgehalt ist fällig am Letzten des Monats.
(2) Der Arbeitnehmer erhält ein Urlaubsgeld in Höhe eines halben Monatsgehaltes sowie eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines November-Monatsgehaltes gemäß den Regeln der Anlage 1 zu Anstellungsvertrag "Liste der Sozialleistungen".
Wenn Beginn und Beendigung des Anstellungsverhältnisses im laufenden Kalenderjahr erfolgen, werden die Bezüge anteilig gezahlt.
(3) Die variablen Bezüge sind für das erste Beschäftigungsjahr als Fixum vereinbart. Die Zahlung erfolgt im ersten Beschäftigungsjahr in 12 gleichen Teilen monatlich. Eine erreichte Provision im ersten Beschäftigungsjahr die das Fixum übersteigt, wird anteilig für die Monate der Beschäftigung, für das laufende Geschäftsjahr, mit dem Ablauf des Geschäftsjahres ausbezahlt.
Ab dem Geschäftsjahr 2007/2008 ist das System der Zielvereinbarung bzw. Zielerreichung der jeweils gültigen Fassung Basis für die Ermittlung der variablen Vergütung. Die Zahlung erfolgt monatlich als Abschlag in Höhe von € 1.500,00, sowie als Quartalsabschlag bis max. 100 % des erreichten Zieles. Die erreichte Provision welche die Abschläge übersteigt, wird mit dem Ablauf des Geschäftsjahres ausbezahlt.
Bei Unterschreitung besteht eine Rückzahlungspflicht der zu viel gezahlten Abschläge.
(4) Gehaltsabtretungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der ausdrücklichen Zustimmung des Arbeitgebers."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf die zur Akte gereichte Kopie verwiesen (Bl. 109 der Akte).
Im Sommer 2007 wurde der Kläger vom Vice President Endoscopy, Herrn J., gebeten, auch die Bereiche Marketing und Service International zu übernehmen.
Unter dem 30.04.2008 vereinbarte der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Provisionsordnung. Diese ist betitelt mit "Provisionsordnung gültig ab 01. April 2008 bis zum 31. März 2009". Auf der Titelseite heißt es weiter, es werde die folgende Provisionsordnung für das Finanzjahr 2008/9 vereinbart. Auf Seite zwei der Provisionsordnung findet sich ein Inhaltsverzeichnis, in welchem die einzelnen Punkte Vorbemerkung, Ausscheiden des Vertriebsleiters, Provisionssatz, Auszahlung, Rückforderungsansprüche und Schlussbestimmungen ohne Nummerierung und ohne Verweis auf die Seitenzahlen aufgeführt sind. Auf Seite drei heißt es:
"PROVISIONSORDNUNG
Vorbemerkung
1.Folgende Provisionsordnung gilt ausschließlich für den Vertriebsleiter für den Geschäftsbereich Medical Products Germany.
2.Sie bezieht sich auf den Umsatzziel und das operative Ergebnis (Sales ./. Cost of Sales ./. regular expense) der Abteilung Medical Products Germany (Sales und Service), das von der Geschäftsführung der G. (Europe) GmbH ausdrücklich festgelegt wurde.
Ausscheiden des Vertriebsleiters
Beim Ausscheiden des Vertriebsleiters endet der Provisionsanspruch mit dem letzten Beschäftigungsmonat. Die Geschäftsleitung behält sich ausdrücklich vor, zu viel gezah...