Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan. außerordentliche Kündigung. Wegfall der Geschäftsgrundlage
Leitsatz (amtlich)
Haben die Betriebspartner einen Sozialplan wegen beabsichtigter Betriebsstillegung abgeschlossen und sind bereits Schritte zur Durchführung der Stillegungsabsicht eingeleitet, insbesondere allen Arbeitnehmern Kündigungen ausgesprochen worden, rechtfertigt die unvorhergesehene Übernahme des Betriebs die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage allein wegen der Übernahme nicht.
Leitsatz (redaktionell)
Die Beklagte hat mit ihrem Betriebsrat einen Sozialplan geschlossen, weil sie beabsichtigte, ihren Betrieb stillzulegen. Ca. 3 Monate nach Kündigung aller Arbeitsverhältnisse wurde der Betrieb, was bei Abschluß des Sozialplans nicht vorhersehbar war, übernommen.
Die Beklagte und der Übernehmer sprachen dem Betriebsrat gegenüber die außerordentliche Kündigung unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage aus.
Der Übernehmer vereinbarte im Hinblick auf die von ihm übernommenen Arbeitnehmer mit dem Betriebsrat die Kürzung der Abfindung nach dem Sozialplan um 50 %. Bei den Arbeitnehmern, die dem Betriebsübergang widersprochen hatten, verweigerte die Beklagte jegliche Zahlung.
Normenkette
BetrVG §§ 112, 77; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 27.04.1995; Aktenzeichen 1 (5) Ca 2864/94) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.04.1995 verkündeteUrteil des Arbeitsgerichts Essen – 1 (5) Ca 2864/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob dem Kläger eine Abfindung nach dem Sozialplan zusteht.
Der Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb in E. Rohaluminium herstellt, vom 01.03.1984 bis zum 30.06.1994 zuletzt als Handwerker in der Verfahrenstechnik zu einem Brutto-Monatsverdienst von zuletzt 3.600,– DM beschäftigt. Am 07.02.1994 faßte die Beklagte den Beschluß, den Betrieb stillzulegen und schloß am 11.02.1994 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich, wonach die Elektrolyse zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgefahren und stillgelegt, die Gießereiproduktion am 30.06.1994 eingestellt und sämtliche Restarbeiten am 30.09.1994 erledigt sein sollten.
Darüber hinaus wurde die analoge Anwendung des unter dem 01.06.1993 abgeschlossenen Sozialplans vereinbart.
Mit Schreiben vom 21.02. kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers und die Arbeitsverhältnisse der übrigen Arbeitnehmer „im Rahmen des Interessenausgleichs vom 11.02.1994 und des weiterhin gültigen Sozialplans vom 01.06.1993”.
Ende April 1994 bekundete überraschend eine Investorengruppe Interesse an der Übernahme und Weiterführung des Betriebes. Die notarielle Beurkundung der Übernahmevereinbarung erfolgte am 20.05.1994 rückwirkend zum 16.04.
Unter dem 20.05.1994 teilte die neugegründete A. E. GmbH den Arbeitnehmern die Übernahme mit. Mit Schreiben vom 26.05. bot sie dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen an. Einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprach der Kläger zunächst mit Schreiben vom 09.06.94. Mit Schreiben vom 25.07.1994 bewarb er sich dann um eine Weiterbeschäftigung bei der Aluminium Essen GmbH, die ihm mit Schreiben vom 03.08.1994 mitteilte, die freigewordenen Arbeitsplätze seien inzwischen durch Neueinstellungen besetzt worden.
Sowohl die Beklagte als auch die Aluminium Essen GmbH sprachen jeweils mit Schreiben vom 27.05.1994 gegenüber dem Betriebsrat die Kündigung des Interessenausgleichs/Sozialplans mit sofortiger Wirkung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus.
Am 22.06.1994 schloß die A. GmbH mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung mit einer Übernahmeregelung für die Mitarbeiter der Beklagten, wonach die das Weiterbeschäftigungsangebot akzeptierenden Mitarbeiter die Hälfte der Abfindungssumme nach dem Sozialplan erhalten. In der Protokollnotiz Nr. 7 vom 24.06.1994 zum Interessenausgleich vom 11.02.1994/Sozialplan vom 01.06.1993 erklärte der Betriebsrat sein Einverständnis mit dem Verzicht der Mitarbeiter auf 50 % der Abfindung.
Beim Ausscheiden des Klägers am 30.06.1994 verweigerte die Beklagte die Zahlung einer Abfindung.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Zahlung der Abfindung nach dem Sozialplan in Höhe von 29.464,46 DM, da dessen Geschäftsgrundlage nicht entfallen sei. Der Anspruch ergebe sich darüber hinaus aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Beklagte noch am 31.05.1994 mit dem Arbeitnehmer K. einen Aufhebungsvertrag mit voller Sozialplanabfindung geschlossen habe.
Er hat den Antrag gestellt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 29.464,46 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.07.1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Geschäftsgrundlage für den Interessenausgleich/Sozialplan sei entfallen. Sie hat behauptet, wegen der Anpassung...