Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsanspruch Auslegung einer Zielvereinbarung (Freiwilligkeitsvorbehalt)
Leitsatz (redaktionell)
1. Außerhalb der gesetzlich oder vertraglich geregelten Auskunftsansprüche besteht ein Auskunftsrecht dann, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang eines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen Tatsachen unschwer machen kann. Das erforderliche Informationsbedürfnis fehlt nur dann, wenn der geltend gemachte Leistungsanspruch bereits dem Grunde nach nicht in Betracht kommt.
2. Steht die im Arbeitsvertrag erfolgte unbedingte Zusage einer Bonuszahlung (Leistung mit reinem Entgeltcharakter) in direktem Widerspruch zu Aussagen in einem dem Arbeitnehmer später übersandten Incentive Plan (Leistung mit Mischcharakter), so verstoßen die Regelungen im Incentive Plan gegen das Transparenzgebot.
Normenkette
ZPO § 253; BGB §§ 611, 305, 307
Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 25.08.2009; Aktenzeichen 7 Ca 687/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 25. August 2009 (AZ: 7 Ca 687/09) teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt,
dem Kläger Auskunft zu erteilen über
aa) den Grad der Zielerreichung der für den maßgeblichen Zielvorgaben des „Management Incentive Plan 2008” und
bb) die Berechnung des Bonusanspruchs des Klägers auf der Grundlage der nach lit. aa) erteilten Auskünfte.
- Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Auskunfts- und Bonusansprüche.
Die Beklagte ist ein weltweit tätiger Papeterie-, Büro- und Schreibbedarf-Hersteller. Der Kläger war bei ihr in der Zeit vom 01.01.2005 bis 31.08.2008 als Verkaufsleiter aufgrund Arbeitsvertrages vom 10.12.2004 beschäftigt. Ziffer 2 des Arbeitsvertrages hat folgenden Inhalt:
„2. Bezüge
2.1 Als Vergütung für Ihre Tätigkeit erhalten Sie mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 ein jährliches Bruttogehalt von 115.000,00 EUR, das Ihnen zwölf Mal im Jahr jeweils zum Monatsende auf das von Ihnen angegebene Konto überwiesen wird.
Ihr Gehalt wird regelmäßig überprüft.
2.2 Zusätzlich zum Jahres-Grundgehalt gewährt Ihnen das Unternehmen einen variablen Bonus. Die Höhe des Bonus richtet sich nach der Erfüllung der Erfolgsziele, die zwischen Ihrem Vorgesetzen und Ihnen jeweils für das Geschäftsjahr schriftlich vereinbart werden.
Die Grundsätze des variablen Bonus und dessen Auszahlungs-Zeitpunkt werden in der schriftlichen Zielvereinbarung festgelegt.
In der Regel ist der variable Bonus zahlbar, nachdem Ergebnisse des Bezugsjahres bestätigt sind.
Eine Änderung der Berechnung und Auszahlung des variablen Bonus behalten wir uns vor.
2.3 Mit der Zahlung der vereinbarten Bezüge ist eine etwaige über Ihre regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit abgegolten.
Ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden, Sonntags-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit besteht daher nicht”.
Die Zahlung der variablen Vergütung erfolgte seit dem Geschäftsjahr 2005 auf der Grundlage des jeweils für das Geschäftsjahr geltenden Management Incentive Plan (im Folgenden: MIP).
Für das Geschäftsjahr 2005 erhielt der Kläger eine Bonuszahlung in Höhe von 24.000,00 EUR, für das Geschäftsjahr 2006 in Höhe von 30.297,00 EUR brutto und für das Jahr 2007 in Höhe von 40.363,00 EUR brutto.
Per E-Mail vom 18.02.2008 übersandte die Beklagte dem Kläger den MIP 2008 sowie die für das Geschäftsjahr maßgeblichen Zielvorgaben.
Der MIP für das Jahr 2008 enthält nach dem Vortrag der Beklagten in der Ziffer 3.2 eine Regelung, wonach die Bewilligung und Auszahlung aller Boni während des 1. Quartals 2009 im ausschließlichen Ermessen der Geschäftsleitung und unter der Voraussetzung stehen, dass der Teilnehmer am 31.12.2008 aktiv beschäftigt ist. Die Ziffer 6 enthält danach eine Stichtagsklausel, in der geregelt ist, dass Teilnehmer, welche am 31.12.2008 nicht aktiv beschäftigt sind, keinen Anspruch auf eine Bonuszahlung haben, es sei denn Grund hierfür ist Tod bzw. eine Behinderung. Wegen des Wortlauts der in englischer Sprache abgefassten Regelungen wird auf den MIP 2008 (Bl. 120-124 d. A.) Bezug genommen.
Die MIP's der vergangenen Jahre enthielten ebenfalls Regelungen über die Anspruchsberechtigung bei vorzeitiger Kündigung (MIP 2005 Ziffer 7 Bl. Bl. 88, MIP 2007 Ziffer 6 Bl. 96 der Akten).
Mit Schreiben vom 25.02.2008 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, weil er eine Vorstandsposition bei der Firma I. AG, einem unmittelbaren Konkurrenten der Beklagten übernehmen wollte. In dem Kündigungsschreiben bat er gleichzeitig um eine vorfristige Aufhebung des Arbeitsvertrages.
Die Beklagte lehnte eine vorzeitige Vertragsauflösung ab, ordnete bis zum 08.04.2008 für den Kläger Urlaub an und stellte ihn ab dem 08.04.2008 von der weiteren Arbeitsleistung frei.
Mit Schreiben vom 22.04.2008 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis a...