Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung im Baugewerbe. Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte. Urlaubsanspruch und gesetzlicher Mindesturlaub. Urlaubsabgeltungsanspruch des durchgehend arbeitsunfähigen Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 8 Nr. 5.1 BRTV in der Fassung vom 20.08.2007 (aF) hat den gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch des durchgehend arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG, der sich gemäß § 11 Abs. 1 BUrlG berechnet, nicht wirksam ausgeschlossen. Der Anspruch richtet sich gegen den letzten Arbeitgeber. Scheidet der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte aus, ist der volle gesetzliche Jahresurlaub abzugelten.

2. Der Umstand, dass § 8 BRTV aF für allgemeinverbindlich erklärt war, begründete keinen Vertrauensschutz des Arbeitgebers im Baugewerbe.

3. Soweit die Regelung in § 8 BRTV aF dazu führt, dass ein Arbeitnehmer, der arbeitsunfähig erkrankt und Krankengeld bezieht, nur einen unbezahlten Urlaubsanspruch erwirbt, ist dies - soweit dadurch nicht der gesetzliche Mindesturlaub ausgeschlossen wird - von den Tarifvertragsparteien rechtswirksam vereinbart worden.

 

Normenkette

BRTV § 8 Nr. 5.1; BRTV a.F. § 8; BUrlG § 13 Abs. 2, § 7 Abs. 4, § 7; EG-RL 88/2003 Art. 7 Abs. 2 Fassung: 2003-11-04; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Entscheidung vom 13.12.2012; Aktenzeichen 1 Ca 1862/12)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 13.12.2012 - 1 Ca 1862/12 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.662,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2012 zu zahlen.

  • 2.

    Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

  • 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 37 % und der Beklagten zu 63 % auferlegt. Die Kosten der Nebenintervention werden dem Kläger zu 37 % und der Nebenintervenientin zu 63 % auferlegt.

  • 4.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.

Der Kläger war seit dem 01.04.2005 bei der Beklagten als Baufacharbeiter auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 30.03.2005 beschäftigt. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden erzielte der Kläger zuletzt einen Stundenlohn von 16,20 Euro brutto. In dem Arbeitsvertrag, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hieß es u.a.:

"Die derzeit gültigen Tarifverträge für das Bauhandwerk kommen in ihrer jeweiligen Fassung auf das Arbeitsverhältnis zu Anwendung. ..."

In dem für allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 04.07.2002 in der Fassung vom 20.08.2007 (BRTV aF) hieß es u.a.:

"§ 8

Urlaub

1. Urlaubsanspruch und Urlaubsdauer

1.1 Der Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr (Urlaubsjahr) Anspruch auf 30 Arbeitstage bezahlten Erholungsurlaub.

1.3 Samstage gelten nicht als Arbeitstage.

1.4 Die Urlaubsdauer richtet sich nach den in Betrieben des Baugewerbes zurückgelegten Beschäftigungstagen.

2. Ermittlung der Urlaubsdauer

2.1 Bei Urlaubsantritt sind die dem Arbeitnehmer zustehenden vollen Urlaubstage nach Maßgabe der Beschäftigungstage zu ermitteln.

2.2 Der Arbeitnehmer erwirbt nach jeweils 12 - als Schwerbehinderter nach jeweils 10,3 Beschäftigungstagen - Anspruch auf einen Tag Urlaub.

2.3 Beschäftigungstage sind alle Kalendertage des Bestehens von Arbeitsverhältnissen in Betrieben des Baugewerbes während des Urlaubsjahres. Ausgenommen hiervon sind Tage

-an denen der Arbeitnehmer der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben ist,

-unbezahlten Urlaubs, wenn dieser länger als 14 Kalendertage gedauert hat,

-für die der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer weder Arbeitsentgelt noch Krankengeld oder Verletztengeld erhalten hat.

2.4 Volle Beschäftigungsmonate sind zu 30 Beschäftigungstagen zu zählen; die Beschäftigungstage eines angefangenen Beschäftigungsmonats sind auszuzählen.

2.5 Bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses sind die während seiner Dauer zurückgelegten Beschäftigungstage zu ermitteln.

2.6 Die für bereits gewährten Urlaub berücksichtigten Beschäftigungstage sind verbraucht.

2.7 Zum Ende des Urlaubsjahres sind aus den unverbrauchten Beschäftigungstagen die Resturlaubsansprüche zu errechnen; Bruchteile von Urlaubstagen sind auf volle Urlaubstage kaufmännisch zu runden. Die Resturlaubsansprüche sind in das folgende Kalenderjahr zu übertragen.

4. Urlaubsvergütung

4.1 Der Arbeitnehmer erhält für den Urlaub gemäß Nr. 1 eine Urlaubsvergütung.

b) Die Urlaubsvergütung beträgt für den nach dem 31. Dezember 2007 entstandenen Urlaub 14,25 v. H., bei Schwerbehinderten im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen 16,63 v. H. des Bruttolohnes. Die Urlaubsvergütung besteht aus dem Urlaubsentgelt in Höhe von 11,4 v. H. - bei Schwerbehinderten in Höhe von 13,3 v. H. - des Bruttolohnes und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt 25 v. H. des Urlaubsentgelts. Es kann auf betrieblich gewährtes zusätzliches Urlaubsgeld angerechnet werden.

4.2 Bruttolohn ist

a) der für die Berechnung der Lohnsteue...

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