Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchlichkeit der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach dem AGG
Leitsatz (amtlich)
Zum Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber einer Entschädigungsforderung des übergangenen Bewerbers wegen Altersdiskriminierung, wenn die Bewerbung allein auf die Erlangung der Entschädigung und nicht der ausgeschriebenen Stelle zielt.
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Fall von Ansprüchen nach § 15 AGG kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Erwerb der Rechtsstellung als Bewerber dann als unredlich erscheinen, wenn die Bewerbung allein deshalb erfolgte, um Entschädigungsansprüche zu erlangen.
2. Gegen die Ernstlichkeit der Bewerbung spricht, dass diese Fehler aufweist, dass der Bewerber keine Begründung dafür gibt, warum er im Alter von 57 Jahren noch einmal einen einschneidenden Wechsel seines beruflichen Werdegangs anstrebt, sowie eine Vielzahl von Diskriminierungsklagen auf vergleichbare Stellenausschreibungen von Anwaltskanzleien. Auffällig ist auch in diesem Sinne, dass der Bewerber unmittelbar nach Erhalt der Absage seine Ansprüche geltend macht, ohne abzuwarten, ob eine Einstellung noch in Betracht kommt.
Normenkette
AGG § 15; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.02.2014; Aktenzeichen 14 Ca 3500/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.02.2014 - 14 Ca 3500/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers wegen Altersdiskriminierung.
Die Beklagte ist eine international tätige Anwaltssozietät mit mehreren Standorten in Deutschland (Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München).
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Der am 13.05.1953 geborene Kläger ist promovierter Rechtsanwalt und betreibt seit 1988 eine Rechtsanwaltskanzlei in S.. Mit nachfolgender E-Mail vom 21.03.2010 bewarb er sich auf die Stellenanzeige:
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Mit E-Mail vom 26.03.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihm zurzeit keine passende Position anbieten zu können, seine Daten aber für eine mögliche zukünftige Vakanz zu behalten (Anlage K3). Mit Schreiben vom Folgetag wandte sich der Kläger an die Beklagte und rügte ein Verstoß gegen das AGG in Form von Altersdiskriminierung. Er forderte eine Entschädigung in Höhe von 10.000,-- € sowie Schadensersatz in Höhe von 50.000,-- € zuzüglich der Begleichung seiner Rechtsanwaltsgebühren (Anlage K4). Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 03.04.2013 ab.
Mit seiner am 23.04.2013 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst Auskunft über die Höhe der Jahresvergütung der ausgeschriebenen Stelle sowie darauf basierende Zahlung von Entschädigung und Schadensersatz begehrt. Zur Höhe seiner in das Ermessen des Gerichts gestellten Entschädigungs- bzw. Schadensersatzforderung hat der Kläger ausgeführt, dass diese über das Vierteljahresgehalt gemäß § 15 Abs. 2 AGG hinausgehen und ein Jahresgehalt für die ausgeschriebene Positionen umfassen müsse, das vom Kläger mit circa 60.000,-- € geschätzt wird. Mit einem am 10.09.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger den Auskunftsantrag zurückgenommen und seine Klage auf Zahlung einer Entschädigung beschränkt.
Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe eine Entschädigung nach § 15 AGG zu. Die Altersdiskriminierung ergebe sich aus der in der Stellenanzeige vorgesehenen Begrenzung der Berufserfahrung der Stellenbewerber auf zwei bzw. fünf Jahre sowie aus der Anforderung "Berufseinsteiger". Bei diskriminierungsfreier Durchführung des Bewerbungsverfahrens sei aufgrund seiner Promotion, seiner Examensnoten und seiner Berufserfahrun...