Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist
Leitsatz (amtlich)
Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG verstößt nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
Für das Tatbestandsmerkmal „Kenntnis” und den daran anknüpfenden Fristbeginn ist es ausreichend, wenn der abgelehnte Bewerber eine Tatsache kennt, die geeignet ist, die Vermutung der Benachteiligung zu begründen. Es ist nicht erforderlich, dass der Bewerber sämtliche in Betracht kommende Tatsachen kennt.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 06.05.2009; Aktenzeichen 4 Ca 1276/09) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 06.05.2009, 4 Ca 1276/09, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 24.02.2009 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage macht der Kläger einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG wegen Diskriminierung geltend.
Der am 02.03.1950 geborene, schwerbehinderte Kläger ist Lehrer für Grund- und Hauptschulen sowie Diplompädagoge. Er ist Mitglied einer Gewerkschaft.
Das beklagte Land schrieb über die Bundesagentur für Arbeit im Juni 2008 eine Stelle als Lehrer/in an der Justizvollzugsanstalt in Remscheid für die Fächer Mathematik, Deutsch und Nebenfächer verschiedener Art aus. Wegen des Inhalts der Stellenbeschreibung wird auf Bl. 4 – 5 der Akte Bezug genommen.
Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger, der noch nie Mathematik unterrichtet hat, am 15.06.2008 und – nachdem seine Bewerbung zurückgekommen war – nochmals am 26.07.2008 unter Angabe seiner Schwerbehinderung.
Mit Schreiben vom 12.09.2008, das dem Kläger am 17.09.2008 zuging, teilte die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Remscheid dem Kläger mit, dass die Stelle zwischenzeitlich an eine Mitbewerberin vergeben worden sei.
Mit Schreiben vom 05.12.2008 meldete der Kläger Schadensersatzansprüche an und erbat Auskunft über die Höhe eines Monatsgehalts.
Mit Schreiben vom 15.12.2008 teilte die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Remscheid dem Kläger mit, dass sie aus dem Vorbringen des Klägers keine Schadensersatzpflicht ableiten könne.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe die ihm nach den §§ 81 Abs. 2, 82 SGB IX auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt. Es habe ihn als Schwerbehinderten nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen und ihm keine Gründe für die Ablehnung seiner Bewerbung mitgeteilt. Eine offensichtlich fachliche Nichteignung, die diese Pflicht entbehrlich machen könne, bestehe nicht. Daraus und aus weiteren Gesichtspunkten ergebe sich die Vermutung der Behinderung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft. Dass er Mathematik nicht studiert habe, bedeute nicht, dass er dieses Fach nicht unterrichten könne. Letztlich sei dies unerheblich, da im Ablehnungsschreiben keine sachlichen Ablehnungsgründe enthalten seien und im laufenden Verfahren nicht nachgeschoben werden könnten. Unter Berücksichtigung der sechsmonatigen Verfallsfrist der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sei sein Anspruch auch nicht verfallen. Zudem sei die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG europarechtlich fragwürdig.
Der Kläger hat beantragt,
- das beklagte Land zu verurteilen, dem Gericht Auskunft über die Höhe eines Monatsgehalts der betreffenden Stelle zu erteilen.
- dem Kläger Schadensersatz/Entschädigung nach Ermessen des Gerichts nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, der Anspruch des Klägers sei bereits gemäß § 15 Abs. 4 AGG ausgeschlossen, da eine schriftliche Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten seit Erhalt der Ablehnung erfolgt sei. Die Ausschlussfristen im TVöD beträfen ausschließlich Ansprüche aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Abgesehen davon sei eine Benachteiligung des Klägers aus Gründen seiner Schwerbehinderung, die der Kläger zudem nicht nachgewiesen habe, nicht erfolgt. Das beklagte Land habe ausweislich der Stellenbeschreibung eine Lehrkraft für die Unterrichtsfächer Deutsch und Mathematik gesucht. Der Kläger habe jedoch keinen Befähigungsnachweis für das Fach Mathematik vorlegen können, so dass schon aus diesem Grund eine Berücksichtigung seiner Bewerbung nicht in Betracht gekommen sei. Zudem habe die eingestellte Mitbewerberin bereits Lehrtätigkeiten in einer JVA nachweisen können. Das beklagte Land habe sich aus diesem Grund unter Außerachtlassung von Fragen der Schwerbehinderung etc. zur Einstellung der Mitbewerberin entschlossen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob das beklagte Land den Kläger tatsächlich diskriminiert habe, da Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 4 AGG verfallen seien. Tarifvertragliche Normen könnten mangels Bestehen ei...