Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagefrist. Diskriminierungsklage
Leitsatz (redaktionell)
Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG ist europarechtskonform, solange durch ihre Anwendung die Geltendmachung von Diskriminierungsansprüchen im Anwendungsfall nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
ArbG Saarbrücken (Urteil vom 05.02.2010; Aktenzeichen 63 Ca 3/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 5. Februar 2010 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken (63 Ca 3/09) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen das beklagte Land Schadensersatzansprüche beziehungsweise Entschädigungsansprüche geltend, weil das beklagte Land eine Bewerbung des Klägers auf eine ausgeschriebene Stelle nicht berücksichtigt, sondern die Stelle anderweitig vergeben hat.
Das beklagte Land schrieb Mitte des Jahres 2008 zwei Stellen für Lehrkräfte an der Justizvollzugsanstalt in O. aus. Bei der Justizvollzugsanstalt O. handelt es sich um eine Anstalt für den Vollzug der Untersuchungshaft und der Strafhaft von männlichen Jugendlichen und Heranwachsenden. Die einzustellenden Lehrkräfte sollten primär für die Erteilung von Unterricht zur Vorbereitung der Gefangenen auf den Erwerb des Hauptschulabschlusses eingesetzt werden. Die Details der Ausschreibung ergäben sich aus dem über die Bundesagentur für Arbeit verbreiteten Stellenangebot (Blatt 4 und 5 der Akten). Auf diese Stellen bewarb sich auch der 1950 geborene Kläger. Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Mit einem Schreiben vom 29. August 2008 (Blatt 6 der Akten) teilte das beklagte Land dem Kläger mit, dass die Auswahlkommission einer anderen Bewerbung den Vorzug gegeben habe. Dieses Schreiben hat der Kläger am 2. September 2008 erhalten. Mit einem Schreiben vom 30. Oktober 2008 (Blatt 14 der Akten) teilte der Kläger dem beklagten Land folgendes mit:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
bezüglich der o.a. Stelle melde ich Schadensersatzansprüche / Entschädigungsleistungen wegen Benachteilung bei der Einstellung an, da Sie mich als Schwerbehinderten nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen haben. Ich bitte, bis zum 14.11.2007 Kontakt mit mir aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen”
Dieses Schreiben ging am 4. November 2008 bei dem beklagten Land ein. Mit einem Schreiben vom 19. November 2008 (Blatt 8 der Akten) erwiderte das beklagte Land darauf, dass das Schreiben des Klägers unter Berücksichtigung von § 15 Absatz 4 AGG verfristet eingegangen sei.
Daraufhin reichte der Kläger mit einem am 13. Januar 2009 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz (Blatt 1 bis 3 der Akten) Klage ein. In der Klageschrift vertritt der Kläger die Auffassung, er habe seine Ansprüche auf Schadensersatz beziehungsweise Entschädigung nicht verfristet geltend gemacht. Das gelte selbst dann, wenn sein Schreiben nicht innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des ablehnenden Schreibens des beklagten Landes bei dem beklagten Land eingegangen sein sollte, denn nach § 15 Absatz 4 Halbsatz 2 AGG könnten die Tarifvertragsparteien eine andere Frist vereinbaren. Das sei hier geschehen, denn das beklagte Land beziehe sich in seiner Stellenausschreibung auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), nach dem eine Frist von sechs Monaten gelte. Er, der Kläger, sei auch Mitglied einer Gewerkschaft. Abgesehen davon könne er die geltend gemachten Ansprüche auch auf § 15 Absatz 5 AGG stützen, denn eine Benachteiligung wegen einer Behinderung stelle immer auch eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar.
Das beklagte Land, so hat der Kläger in erster Instanz weiter ausgeführt, habe die nach den §§ 81 und 82 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches bestehenden Pflichten nicht erfüllt. Erstens habe das beklagte Land die Bundesagentur für Arbeit nicht frühzeitig von den frei werdenden Stellen benachrichtigt. Zweitens sei die Schwerbehindertenvertretung des beklagten Landes nicht über seine Bewerbung informiert worden. Drittens sei er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Diese Tatbestände rechtfertigten bereits jeder für sich die Vermutung einer Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Und darüber hinaus habe ihm das beklagte Land entgegen der Regelung in § 81 Absatz 1 Satz 9 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches auch keine Gründe für die Ablehnung seiner Bewerbung mitgeteilt. Auch deswegen sei eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung zu vermuten. Ihm stehe daher gegen das beklagte Land ein Anspruch auf Schadensersatz beziehungsweise auf Entschädigung zu. Der Höhe nach werde der Anspruch in das Ermessen des Gerichts gestellt. Der von dem beklagten Land zu zahlende Betrag solle aber nicht unter zwei Monatsgehältern der Stufe 2 der Entgeltgruppe 13 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst, die sich auf zusammen 6.45...