Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachzahlung von Lohnsteuer. Erstattungsanspruch des Arbeitgebers bei berechtigter Nachversteuerung. Umfang der Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Arbeitgeber von den Einkünften des Arbeitnehmers zu wenig Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, kann der Arbeitgeber nach Inanspruchnahme durch das Finanzamt und Nachzahlung der Lohnsteuer Erstattung vom Arbeitnehmer gemäß § 670 BGB verlangen (im Anschluss an BAG, Urteil vom 20.03.1984, 3 AZR 124/82 = AP Nr. 22 zu § 670 BGB).
2. Dieser Erstattungsanspruch besteht nur, wenn das Finanzamt den Arbeitgeber zu Recht in Anspruch genommen hat. Ist in einem gerichtlichen Vergleich das Arbeitsverhältnis zum 30.09. beendet worden, hat aber der Arbeitgeber auf Vorschlag des Gerichts dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt, bereits zu einem früheren Termin aus seinen Diensten auszuscheiden, und wird für diesen Fall vereinbart, dass für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens das bisherige Bruttogehalt als Abfindung gezahlt wird, endet das Arbeitsverhältnis mit dem vom Arbeitnehmer gewählten Zeitpunkt. Bei der Zahlung der Abfindung für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens handelt es sich um eine Abfindung i.S. des § 3 Ziff. 9 EStG und nicht um Arbeitsvergütung.
3. Geht das Finanzamt trotzdem für die Monate des vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers aus den Diensten seines Arbeitgebers von einem zu versteuernden Bruttogehalt aus, kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer Erstattung der an das Finanzamt gezahlten Nachsteuer nur dann verlangen, wenn er alles ihm Zumutbare getan hat, um die unberechtigte Nachforderung der Finanzbehörde abzuwehren. Hierzu gehört, dass er den Arbeitnehmer frühzeitig von dem Nachsteuerverlangen der Finanzbehörden umfassend unterrichtet und ihm damit Gelegenheit gibt, sich selbst um die richtige Behandlung seiner Steuerangelegenheit zu bemühen (im Anschluss an BAG Urteil vom 23.03.1961 – 5 AZR 156/59 = AP Nr. 9 zu § 670 BGB).
Normenkette
BGB § 670; EStG § 3 Ziff. 9
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 15.05.2002; Aktenzeichen 3 Ca 3395/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 15.05.2002 – 3 Ca 3395/01 – wird kostenfällig als unbegründet zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von Steuern, die die Klägerin nach einer Betriebsprüfung für an die Beklagte gezahlte „Abfindung” an das Finanzamt abgeführt hat.
Die Beklagte war bei der Klägerin als kaufmännische Angestellte beschäftigt gewesen und zum 30.09.1998 aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden. Im Kündigungsschutzprozess einigten sich die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich wie folgt:
- „Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 05.03.1998 zum 30.09.1998 enden wird.
- Bis zum vorgenannten Beendigungszeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt und abgerechnet.
- Der Klägerin bleibt es vorbehalten, das Arbeitsverhältnis jeweils zum Monatsende zu einem vorgezogenen Termin ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden. Für diesen Fall zahlt die Beklagte an die Klägerin für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses DM 3.800,00 (i.W. dreitausendachthundert Deutsche Mark) im Sinne der §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziffer 9 EStG.
- Unter den Parteien besteht Einigkeit, dass die Klägerin den ihr jeweils bezogenen auf den Beendigungszeitpunkt zustehenden Urlaubsanspruch vorrangig in Natura nehmen soll.
- Unter den Parteien besteht ferner Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis auch bei einer vorgezogenen Beendigung jeweils bis zu diesem Beendigungstermin ordnungsgemäß abgerechnet werden muss.
- Damit ist der Rechtsstreit erledigt.”
Die Beklagte schied zum 30.04.1998 aus den Diensten der Klägerin aus. Diese zahlte gemäß dem Vergleich als „Abfindung” 19.000,– DM, wobei die Klägerin davon ausging, die „Abfindung” sei steuerfrei.
Ende 2000 fand im Betrieb der Klägerin eine Außenprüfung des Finanzamtes statt. Das Finanzamt stellte mit Haftungsbescheid vom 15.12.2000 fest, dass es sich bei der „Abfindung” um den Lohn für die Monate Mai bis September 1998 handelte, der zu versteuern sei, sodass 10.689,– DM Lohnsteuer und 587,89 DM Solidaritätszuschlag nachzuzahlen seien. Zur Begründung führte das Finanzamt in dem Bescheid aus:
„Die BfA. zahlte der Arbeitnehmerin Frau N. R. im Monat Juni 1998 eine Abfindung i.H.v. 19.000,00 DM, die gem. § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei belassen wurde.
Die Sachbehandlung war zu beanstanden.
Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses sind im Rahmen der im § 3 Nr. 9 EStG aufgeführten Höchstbeträge steuerfrei.
Hierbei ist der Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses von Bedeutung.
Ob und zu welchem Zeitpunkt das Dienstverhältnis aufgelöst worden ist, ist nach bürgerlichem Recht bzw. ...