Entscheidungsstichwort (Thema)
Stilllegung einer Betriebsabteilung. Betriebsratsmitglied. Betriebsrat. Funktionsunfähigkeit des Betriebsrats. Freikündigung eines Arbeitsplatzes
Leitsatz (amtlich)
Zwar ist der Arbeitgeber, wenn es zur Stilllegung einer Betriebsabteilung kommt, gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG u. U. auch verpflichtet, für das dort beschäftigte Betriebsratsmitglied in einer anderen Betriebsabteilung einen geeigneten Arbeitsplatz durch Kündigung freizumachen (BAG Urteil vom 13.06.2002 – 2 AZR 391/01). Dabei sind jedoch die sozialen Belange des hiervon betroffenen Arbeitnehmers und die berechtigten betrieblichen Interessen an seiner Weiterbeschäftigung einerseits gegen die Interessen der Belegschaft an der Kontinuität der Besetzung des Betriebsrats und die Interessen des durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmers an seiner Weiterbeschäftigung andererseits gegeneinander abzuwägen (so auch schon LAG Düsseldorf Urteil vom 25.11.1997 – 8 Sa 1358/97 – LAGE § 15 KSchG Nr. 16).
Leitsatz (redaktionell)
Der Anhörung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedarf es vor Ausspruch der Kündigung nicht, wenn zu diesem Zeitpunkt der Betriebsrat funktionsunfähig ist, weil alle Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder an der Amtsausübung vorübergehend verhindert sind.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 5; BGB § 613a Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 10.03.2005; Aktenzeichen 1 Ca 2622/04) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom10.03.2005 – 1 Ca 2622/04 – wird, soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten des Rechtsstreits, soweit dieser übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, trägt der Kläger.
Die Revision wird für den Kläger, soweit seine Berufung zurückgewiesen worden ist, zugelassen.
Tatbestand
Der am 08.02.1952 geborene verheiratete Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Fliesenleger. Als solcher war er seit dem 16.05.1995 bei der Beklagten in der Abteilung Fliesenverlegung beschäftigt. Der Kläger ist Vorsitzender des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates.
Der Betrieb der Beklagten gliederte sich bislang in insgesamt drei Betriebsabteilungen auf, nämlich die Abteilung „Fliesenverlegung”, die Abteilung „Fliesenhandel” und die Abteilung „Verwaltung, Lager und Fuhrpark”.
Als Lagerverwalter ist der am 06.01.1947 geborene und seit dem 01.10.1975 im Lager bei der Beklagten beschäftigte Herr A. tätig. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Der Warenfluss im Lager wird maßgeblich durch ein EDV-Programm (Warenwirtschaftsprogramm) gesteuert. Über Kenntnisse im Umgang mit diesem Programm verfügt der Kläger, der jedoch den Umgang mit gängigen PC-Programmen beherrscht, nicht.
Der Betriebsrat bestand zunächst aus dem Kläger sowie zwei weiteren, dem kaufmännischen Bereich zuzurechnenden Mitarbeitern. Im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Betriebsrats ergaben sich verschiedentlich Gegensätze zwischen den Interessen der Fliesenleger und den Interessen der Mitarbeiter der Handelsabteilung, wobei der Kläger – jedenfalls primär – die Interessen der Fliesenleger vertrat. Die beiden anderen Betriebsratsmitglieder legten im Jahr 2003 wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Kläger im Zusammenhang mit einem Streik der Fliesenleger ihr Mandat nieder. Ende des Jahres 2003 rückte Herr V. I., der seit dem 24.03.2003 (bis jedenfalls Mitte Oktober 2004) arbeitsunfähig erkrankt war, für die beiden ausgeschiedenen Mitarbeiter in den Betriebsrat nach. Weitere Betriebsratsmitglieder bzw. Ersatzmitglieder sind nicht vorhanden. Herr I. war im Juli 2004 bei einer von der Geschäftsleitung der Beklagten organisierten Mitarbeiterveranstaltung zugegen, stellte sich dort jedoch nicht als Betriebsratsmitglied vor.
Unter dem 08.07.2004 richteten 13 Mitarbeiter der Beklagten ein Schreiben an den Kläger, in welchem sie ihm mitteilten, sie fühlten sich von ihm als Betriebsratsmitglied nicht vertreten, sondern in ihrer Arbeit behindert.
Im Jahr 2004 traf die Beklagte, da diese Abteilung seit Jahren nur noch verlustreich arbeitete, die Entscheidung, die Abteilung Fliesenverlegung zum 31.05.2005 zu schließen. Aufgrund dieser Entscheidung wurde zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat am 04.10.2004 ein Interessenausgleich und Sozialplan mit Namensliste geschlossen, wobei der Kläger namentlich bei den zu kündigenden Arbeitnehmern aufgeführt ist. Die Verhandlungen mit der Beklagten wurden seitens des Betriebsrates allein durch den Kläger geführt.
Am 05.10.2004 teilte die Beklagte dem Kläger in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender die von ihr beabsichtigte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses mit. In einem Formschrieben teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass er in einer datumsmäßig nicht näher bezeichneten Sitzung die ordentliche Kündigung zum 31.05.2005 behandelt habe. Dieses Schreiben ist handschriftlich wie folgt vom ...