Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsabteilung. Betriebsratsmitglied. Gründe, betriebsbedingte. Interessenabwägung. Kündigung, ordentliche. Sonderkündigungsschutz. Stilllegung. Übernahme. Unmöglichkeit. Weiterbeschäftigung. Weiterbeschäftigung eines wegen Stilllegung einer Betriebsabteilung gekündigten ordentlichen Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (amtlich)
1. Macht der Arbeitgeber gem. § 15 Abs. 5 KSchG geltend, er könne ein wegen Stilllegung einer Betriebsabteilung gekündigtes ordentliches Betriebsratsmitglied nicht in eine andere Betriebsabteilung übernehmen, trifft ihn insoweit eine verschärfte Darlegungs- und Beweislast. Er hat materiell alle denkbaren Übernahmemöglichkeiten besonders eingehend zu prüfen und prozessual den Umfang der von ihm angestellten Überlegungen und ihr Ergebnis so substantiiert darzulegen, daß das Gericht zu der notwendigen Überzeugung gelangen kann, der Ausnahmetatbestand der Unmöglichkeit der Übernahme liege tatsächlich vor (BAG, Urt. v. 25.11.1981, AP § 15 KSchG 1969 Nr. 11).
2. Dabei ist die Prüfung der Übernahmemöglichkeiten nicht von vornherein auf gleich- oder geringerwertige Arbeitsplätze zu beschränken, sondern hat sich je nach den Umständen des Einzelfalls auch auf einen höherwertigen Arbeitsplatz zu erstrecken.
3. Der Entscheidung nach § 15 Abs. 5 KSchG für oder gegen eine Übernahme des Sonderkündigungsgeschützten muß stets eine umfassende Interessenabwägung vorausgehen. Diese hat, wenn die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds im Raume steht, dessen Weiterbeschäftigungsinteresse und das Interesse der Belegschaft an der Kontinuität seines Betriebsratsamts einerseits sowie das berechtigte betriebliche Interesse an der Weiterbeschäftigung eines eventuell freizukündigenden anderen Arbeitnehmers und dessen soziale Belange andererseits zu berücksichtigen. Dabei gebührt dem Interesse des Sonderkündigungsgeschützten wegen der in § 15 Abs. 5 KSchG enthaltenen Wertung jedenfallls gegenüber nicht ebenfalls sonderkündigungsgeschützten Arbeitnehmern grundsätzlich der Vorrang.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 02.06.2006; Aktenzeichen 8 Ca 2810/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.06.2006 – 8 Ca 2810/05 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
3. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren zuletzt nur noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung vom 23.09.2005.
Der am 29.05.1960 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten, der Herausgeberin der „U.-Zeitung”, seit dem 01.08.1975 zunächst als Schriftsetzer und seit dem 01.10.1992 als sog. „Cicero-Anwender” in der Zeitungssetzerei bzw. in der aus dieser hervorgegangenen Druckvorstufe beschäftigt. Die Druckvorstufe war für die gesamte Satzproduktion der „U.-Zeitung” zuständig, einschließlich der Heimatausgaben sowie zahlreicher Fremddruckobjekte. Sie hatte die Aufgabe, eingehende Text- und Anzeigenmanuskripte, ggf. unter Ergänzung von Bildern und Grafiken, technisch zum Druck ganzer Zeitungsseiten oder sonstiger Druckobjekte vorzubereiten. Die Abteilung untergliederte sich zuletzt in die Arbeitsbereiche „Arbeitsvorbereitung, Satz, Umbruch und Korrekturen” – dort war der Kläger tätig – sowie „Grafik” und „Druckformherstellung”. Zu den arbeitsvertraglich beschriebenen Aufgaben des Klägers zählten unter anderem das Erstellen von Druckvorlagen, der Umbruch von Anzeigenseiten, termingerechte Bereitstellung von Einzelkomponenten, fachgerechte Ausführung aller damit verbundenen Arbeiten, Erstellen von Logos, Archivarbeiten, Selektieren von Manuskripten und Vorbereiten von Manuskripten zum Satz; wegen der weiteren Einzelheiten wird hiermit auf seinen mit der Beklagten vereinbarten Arbeitsvertrag vom 04.07.1978 (Bl. 58 ff. d.A.) nebst Änderungsvertrag vom 17.11.1992 (Bl. 9 ff. d.A.) verwiesen.
Der Kläger war seit 1990 Ersatzmitglied und ist bis jetzt seit 1992 ununterbrochen ordentliches Mitglied im Betriebsrat der Beklagten. Er wurde im Jahre 2004 im Hinblick auf seine Betriebsratstätigkeit freigestellt, bis die Freistellung infolge einer Reduzierung der Beschäftigtenzahl bei der letzten Betriebsratswahl wieder entfiel. Am 30.08.2004 begann der Kläger eine dreijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Medientechniker, die er am 03.07.2007 erfolgreich abschloss. Im Zeitpunkt der Kündigung hatte er die Ausbildungsmodule „Kommunikation in der Fremdsprache”, „Anwenden von Gestaltungstheorien und -mitteln in der Medienproduktion”, Gestalten und Umsetzen von Printprodukten” sowie „Daten erfassen, aufbereiten, ausgeben und weitergeben” vollständig, weitere Module teilweise abgeschlossen. Wegen der Ausbildungsinhalte wird hiermit auf die jeweiligen Ausbildungszertifikate sowie das Abschlusszeugnis verwiesen (Bl. 350 ff., 472 f. d.A.).
Nachdem die Beklagte Ende 2004 Planungen zur Sch...