Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorrang der Änderungskündigung. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
Zur Obliegenheit des Arbeitgebers, einem vollzeitbeschäftigten Angestellten eine freie geringerwertige Teilzeittätigkeit anzubieten (im Anschluss an BAG Urteil vom 21.04.2005 – 2 AZR 132/04 und BAG Urteil vom 21.04.2005 – 2 AZR 244/04).
Leitsatz (redaktionell)
Alleine die Mutmaßung des Arbeitgebers, ein zu kündigender Arbeitnehmer werde eine anzubietende Teilzeitbeschäftigung wegen deren Geringerwertigkeit und schlechteren Konditionen ablehnen, befreit den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung, vor Ausspruch einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung auszusprechen. Unterlässt der Arbeitgeber deshalb die Änderungskündigung, so ist die Beendigungskündigung unwirksam.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 28.07.2005; Aktenzeichen 1 Ca 1042/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom28.07.2005 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und über einen Weiterbeschäftigungsanspruch.
Die Klägerin, Germanistin, geboren am 23.03.1958, geschieden, einem Kind unterhaltsverpflichtet, trat am 01.07.2002 als vollzeitbeschäftigte Angestellte in die Dienste der Beklagten. Die Beklagte, eine gemeinnützige Stiftung, ist Trägerin des am 08.01.2004 eröffneten Kindermuseums B. im E.ger Innenhafen. Nachdem im Jahr 2004 einerseits das Personal deutlich aufgestockt worden war und andererseits der monatliche Umsatz bei ca. 100.000 Euro verblieb, kam die Beklagte – nach einem Wechsel der Geschäftsführung im Februar 2005 – zu der Einschätzung, dass die Anzahl der Arbeitsplätze den Arbeitskräftebedarf bei weitem übersteige, und beschloss eine Umstrukturierung der Arbeitsorganisation und Verdichtung des Personalbestandes mit der Konsequenz, dass 31 Mitarbeitern zu kündigen sei. Unter den entlassenen Arbeitnehmern befanden sich die drei in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit/Marketing tätigen Mitarbeiterinnen, nämlich die Klägerin (Leiterin) sowie die Angestellten Frau D.-H. und Frau S. Nach der neuen Organisationsstruktur der Beklagten traten an die Stelle von bisher sechs Abteilungen (Gebäudemanagement/ Kasse, Planung, Workshop, Pädagogen, Gastro, Öffentlichkeitsarbeit/ Marketing) die drei Abteilungen Museumskonzeption, Museumsausstellung und Museumspädagogik. Mit der Leitung der Abteilung Museumsausstellung wurde der im Herbst 2004 eingestellte Mitarbeiter W. betraut. Herr W. ist ausgebildeter Erzieher und hatte 2 bis 3 Jahre lang eine Kindertagesstätte geleitet. Im Mai 2005 stellte die Beklagte als befristete Teilzeitkraft Frau G., ausgebildete Umweltwissenschaftlerin, ein. Nach Behauptung der Klägerin (Bl. 92 GA) wurde Frau G. mit Öffentlichkeitsarbeit befasst. Nach Behauptung der Beklagten stellte sich im Mai 2003 heraus, dass der neue Geschäftsführer zeitweilig einer Assistentin bedurfte (Bl. 60 ff.) bzw. es nur darum ging, einen Teil der in den Händen von Frau S. befindlichen Abwicklungsarbeiten zu übernehmen (Bl. 119 GA). Frau G. ist mittlerweile vollzeitbeschäftigt und wird nach mündlichem Vortrag der Beklagten auch in der pädagogischen Abteilung eingesetzt.
Mit der am 13.04.2005 beim Arbeitsgericht Duisburg eingereichten Klage hat die Klägerin die von der Beklagten unter dem 23.03.2005 zum 30.04.2005 ausgesprochene fristgerechte Kündigung angegriffen. Sie hat die Betriebsbedingtheit der Kündigung bestritten, die Sozialauswahl im Hinblick auf den weiterbeschäftigten Mitarbeiter W. gerügt und außerdem beanstandet, nicht anstelle von Frau G. weiterbeschäftigt worden zu sein. Die Beklagte hat die vorgenommene Umstrukturierung und den Personalabbau als unausweichlich notwendig verteidigt und vorgetragen, dass die bisherigen Aufgaben der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit ersatzlos gestrichen worden seien. Die Klägerin sei qualifikationsmäßig nicht mit Herrn W. und hierarchisch mit keinem anderen Mitarbeiter, insbes. nicht mit Frau G., vergleichbar (Bl. 54 GA). Ihr hinsichtlich der Anstellung von Frau G. unterbreiteter Vortrag, dass die Möglichkeit, sie unter Reduzierung der vertraglichen Konditionen weiterzubeschäftigen, von der Beklagten versäumt worden wäre, sei völlig unglaubhaft (Bl. 120).
Durch Urteil vom 28.07.2005 hat das Arbeitsgericht Duisburg der Klage stattgegeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil an. Sie will weiterhin die Klage abgewiesen wissen. Die Klägerin verteidigt das Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den von den Parteien vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen verwiesen. In der mündlichen Verhandlung am 16.11.2005 hat die Kammer mit den Parteien die Sach- und Rechtslage insbes. im Hinblick auf die BAG-Rechtsprechung aus April 2005 zum Vorrang der Änderungskündigung vor der Beend...