Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung nach wirksamen Widerspruch gegen einen Betriebsübergang

 

Leitsatz (redaktionell)

Voraussetzung für eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern ist ein bestimmender Einfluss des Beschäftigungsbetriebs sowie eine substantiiert darzulegende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Unternehmen.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 613a; BetrVG §§ 102, 21b

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 23.07.2010; Aktenzeichen 4 Ca 518/10 lev)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.05.2012; Aktenzeichen 2 AZR 250/11)

 

Tenor

1.Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 23.07.2010 – 4 Ca 518/10 lev – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei betriebsbedingten Kündigungen, und hilfsweise über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.

Der am 25.12.1963 geborene, zu 100% schwerbehinderte Kläger, ist seit dem 04.08.1980 bei der Beklagten (früher B.-H. AG) beschäftigt. Die Beklagte war an unterschiedlichen Standorten in Deutschland in den Geschäftsbereichen u.a. Consumer Imaging, Health Care und Graphic Systems tätig.

2004 traf die Beklagte die unternehmerische Entscheidung, den Betrieb Konfektionierung Film nach X. zu verlagern und mit der Konfektionierung Papier zu verschmelzen. Am 21.06.2004 schloss die B. H. AG mit dem Betriebsrat des Werkes M. wegen der Maßnahme eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich.

Der Kläger war bis zum 03.10.2004 im Werk M. im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 4.731,04 eingesetzt. Mit Schreiben vom 30.09.2004 wurde der Kläger mit Wirkung zum 04.10.2004 als technischer Sachbearbeiter Produktion Film an den Standort X. versetzt.

Zum 01.11.2004 wurde der Geschäftsbereich Consumer Imaging ausweislich der „Überleitungsvereinbarung” (ÜLV) vom 24.09.2004 nebst Anlagen auf die neu gegründete B. Photo GmbH übertragen. In deren Anlage 1 werden die von der B. Photo GmbH zu übernehmenden Betriebe, Betriebsteile und die durch Betriebsspaltung neu gebildeten Teilbetriebe des Geschäftsbereichs CI aufgelistet. Gemäß Anlage 1 a) gehört der Betrieb in X. zu den übernommenen Betrieben.

Weiter heißt es in der ÜLV:

„7.

Übergang der Arbeitsverhältnisse und Zuordnung

7.1

Der Übergang der Arbeitsverhältnisse aller von den Betriebsübergängen betroffenen Arbeitnehmer erfolgt unter Anwendung von § 613 a BGB. Danach tritt B. Photo GmbH als Arbeitgeber in alle am 01.11.2004 bestehenden Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein.

7.3

Der Sozialplan (Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der B.-H. AG und dem Gesamtbetriebsrat vom 17.01./23.02.1995 nebst sie ändernden und ergänzenden Vereinbarungen) gilt mit der Maßgabe, dass der bisherige Arbeitsplatz am selben Ort bei B. Photo GmbH oder einer Schwester- oder Tochter-Gesellschaft als in den wesentlichen Arbeitsbedingungen gleichwertig und zumutbar gemäß I Ziffer 5 des Sozialplans gilt und ein Widerspruch gegen den Übergang den Abfindungsanspruch bei anschließender Kündigung ausschließt.”

Zur Umsetzung einer gleichzeitigen Personalabbaumaßnahme vereinbarte die B.-H. AG mit dem dortigen örtlichen Betriebsrat für den Betrieb in M. am 14.10.2004 einen Interessenausgleich, der zum Ausgleich der durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer in § 5 die Anwendung des Transfersozialplans (TSP) vom 19.12.2001 und der GBV vom 17.01.1995 nebst Änderungen vorsah, wobei die Transferleistungen spätestens ab Dezember 2004 anzubieten und für die Dauer der Umsetzung des Interessenausgleichs bereitzustellen waren.

Mit Schreiben vom 26.06.2005 rügte der Kläger die fehlerhaften Informationen über den Betriebsübergang. Er forderte weitere Informationen an und wies darauf hin, dass er nach deren Eingang die Entscheidung treffen werde, ob er dem Betriebsübergang widerspreche.

Am 01.08.2005 wurde über das Vermögen der B. Photo GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Im Jahre 2005 wurden die bei der B.-H. AG verbliebenen Geschäftsbereiche Health Care und Graphic Systems ausgegliedert und auf neue Unternehmen übertragen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.01.2006 widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. Photo GmbH und forderte von der Beklagten die Zuweisung eines Arbeitsplatzes. Über die Rechtswirksamkeit des Widerspruchs führten die Parteien einen Rechtsstreit. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Solingen – 5 Ca 523/06 lev – wurde die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers wurde das Urteil abgeändert und festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis besteht (Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.08.2007 – 7 (15) Sa 1265/06 –). Die dagegen von der Beklagten zunächst eingelegte Revision an das Bundesarbeitsgericht wurde zurückgenommen.

Am 15.04.2007 beantragte die Beklagte beim Landschaftsverband Rheinland (LRV) die Zustimmung zur ordentlichen betrie...

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