Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmerische Entscheidung. Austausch Prokurist in der Tätigkeit eines Geschäftsführers gegen Geschäftsführer. Kein Kündigungsschutz für Organ-Geschäftsführer. Rechtsmissbrauch bei unternehmerischer Entscheidung. Rückübertragung von Aufgaben
Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidet sich der Arbeitgeber, die Aufgaben eines früheren Geschäftsführers, der als Prokurist mit Geschäftsführungsaufgaben beschäftigt wird, wieder auf einen Geschäftsführer zu übertragen, so ist diese unternehmerische Entscheidung nicht rechtsmissbräuchlich.
2. Dieses gilt auch, wenn die Abberufung als Geschäftsführer ohne Änderung der Aufgaben erfolgte, da der Geschäftsführer keinen Bestandsschutz gemäß § 14 Abs. 1 KSchG genießt.
Normenkette
KSchG §§ 1, 14; BGB § 162
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Entscheidung vom 04.09.2012; Aktenzeichen 2 Ca 111/12 lev) |
Nachgehend
Tenor
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 04.09.2012 - 2 Ca 111/12 lev - abgeändert und die Klage abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Kündigung. Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 12.08.2003 als Geschäftsführer zuletzt auf Basis eines Geschäftsführervertrages vom 13.08.2007 (Bl. 19 ff. d. A.) beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt ca. 60 Mitarbeiter. Der Kläger ist 58 Jahre alt und verheiratet. Sein Jahresbruttogehalt betrug zuletzt 217.200,00 €.
Gesellschafterin der Beklagten waren zu 50 % die Ehefrau des Klägers sowie zu 50 % der weitere Geschäftsführer Q.. Aufgrund einer Erkrankung des Geschäftsführers Q., der Ende 2009 verstarb, sowie aufgrund eines Kapitalbedarfs entschieden sich die Gesellschafter, ihre Gesellschaftsanteile zu verkaufen. Im Jahr 2009 kam es hierzu zur Aufnahme von Verhandlungen mit der N.+X. Process Industries GmbH (im weiteren N.). Diese führte eine due-diligence-Prüfung durch. Zwischen den Parteien sind der Umfang dieser Prüfung sowie der Beitrag des Klägers und seiner damaligen Mitarbeiter hierzu streitig.
Im Jahr 2007 erwirtschaftete die Beklagte einen Überschuss von 204.800 €, im Jahr 2008 von 63.568,78 €, im Jahr 2009 von 2.558,41 € .
Am 01.07.2010 übermittelte der damalige kaufmännische Leiter der Beklagten J. an die N. eine Unternehmensbewertung (Bl. 162 d. A.), aus der sich ein prognostizierter Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) für 2010 von 482.000,00 €, für 2011 von 720.000,00 €, für 2012 von 820.000,00 € sowie für 2013 von 910.000,00 € ergab. Per Juni 2010 erstellte der Kläger einen Lagebericht (Bl. 164 ff. d. A.), in der er eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung erstellte, die ein geplantes EBIT per 31.12.2010 von 492.385,00 € auswies.
Am 19.07.2010 unterzeichneten die Gesellschafter und die N. einen Memorandum of Unterstanding, in dem sie einen Unternehmenswert von 3.850.000,00 € auf Basis eines fiktiven Ergebnisses vor Steuern und Zinsen (Ebit) von 700.000,00 € festlegten (Bl. 158 f. d. A.).
Am 25.08.2010 teilten die Rechtsberater der N. mit, dass sie der Auffassung seien, dass eine Steuerhinterziehung seitens der Beklagten begangen worden sei (Bl. 228 ff. d. A.). Vor diesem Hintergrund erstattete der Kläger eine Selbstanzeige.
Mit notariellem Vertrag vom 10.09.2010 (Bl. 629 ff. d. A.), an dem auch der Kläger als Vertragspartei beteiligt war, verkauften die Gesellschafter ihre Anteile an der Beklagten an die N.. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass für die Berechnung des Kaufpreises maßgeblich war, dass sie von einem erreichbaren Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) von 700.000,00 € ausgingen. Weiterhin wurde vereinbart, dass ein Teil des Kaufpreises später aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Beklagten gezahlt wurde (sog. "Earn-Out-Klausel").
In § 9 "Weitere Tätigkeit von Herrn T." ist folgendes geregelt:
1.Der bisherige Geschäftsführer Herr K. T. wird sein Geschäftsführeramt auf erste Anforderung des Erwerbers niederlegen.
2.Herr K. T. sichert dem Erwerber und - im Sinne eines echten Vertrages zugunsten Dritter - dem Unternehmen zu, dass er mindestens bis zum 31.12.2012 weiterhin als Prokurist (Einzelprokurist) zur Verfügung steht, es sei denn, der Erwerber bzw. das Unternehmen beendet den Dienstvertrag mit Herrn T. einvernehmlich vorzeitig (...) oder Herr T. wird vom Erwerber bzw. vom Unternehmen als Prokurist abberufen oder der zwischen Herrn T. und dem Unternehmen bestehende Dienstvertrag wird von dem Unternehmen auf einen Zeitpunkt vor dem 31.12.2012 gekündigt.
3.Der bisherige Geschäftsführerdienstvertrag von Herrn T. mit allen zwischenzeitlich vorgenommenen Anpassungen und Zusatzvereinbarungen wird unter Beibehaltung aller darin festgelegten Konditionen und Arbeitszeitregelungen mit der Maßgabe fortgeführt, dass er sich zukünftig auf die Diensttätigkeit von Herrn T. als Prokurist bezieht. (...)
4.Des Weiteren wird zwischen dem Erwerber und Herrn T. vereinbart, dass dieser auch in seiner Stellun...