Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Prokuristen. Rechtsfolgen der unterbliebenen Anhörung des Betriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Arbeitnehmer, der zwar Prokura hat, aber nur zusammen mit einem weiteren Prokuristen und auch nur für Verträge bis 15.000 EUR Jahressumme, ist nicht als leitender Angestellter i.S. von §§ 5 Abs. 3 Nr. 3, 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG anzusehen.

2. Eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist daher bereits aus formalen Gründen unwirksam, wenn der Betriebsrat zuvor nicht angehört worden ist.

3. Wird die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Prokuristen letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben begründet, so sind gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers hinsichtlich eines deutlich reduzierten Arbeitsvolumens zu stellen. So muss der Arbeitgeber substantiiert den Inhalt seines Entschlusses, dessen praktische Umsetzung und dessen zahlenmäßige Auswirkung auf die Beschäftigungsmöglichkeit darlegen, wenn der Rückgang der Beschäftigungsmöglichkeit unmittelbar auf einen organisatorischen Entschluss des Arbeitgebers wie etwa die ersatzlose Streichung einer Stelle zurück zu führen ist.

 

Normenkette

KSchG § 1; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3, § 5 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 11.10.2016; Aktenzeichen 8 Ca 596/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11.10.2016, Az.: 8 Ca 596/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren nur noch) darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.

Der Kläger war zunächst ab dem 01.01.2014 bis zum 31.12.2015 für die E. Verwaltungs GmbH tätig und wechselte dann innerhalb der gleichen Unternehmensgruppe unter Anrechnung der Vorbeschäftigungszeiten zur Beklagten. Die Beklagte fertigt Aquarien und Aquaristikzubehör. Im Werk in C-Stadt sind ungefähr 80 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger erzielte zuletzt ein Monatseinkommen von ca. 4.500,00 Euro brutto zuzüglich eines geldwerten Vorteils für den Dienstwagen von 895,19 Euro monatlich und erhielt eine Bonuszahlung; hinsichtlich der arbeitsvertraglichen Regelung im Einzelnen wird auf Bl. 23 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hatte Gesamtprokura mit einem weiteren Prokuristen, die auch im Handelsregister eingetragen ist (vgl. Bl. 32 d. A.). Intern durfte der Kläger zusammen mit einem anderen Prokuristen Verträge bis zu einer Jahressumme von 15.000,00 Euro abschließen. Die "Hauptaufgaben" des Klägers hat die Beklagte im Entwurf für ein Zwischenzeugnis, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Blatt 72 ff. d. A. Bezug genommen wird, wie folgt wiedergegeben:

"Herr A. übernimmt in seiner Position folgende Hauptaufgaben:

- disziplinarische und fachliche Leitung des Standorts mit 60 Mitarbeitern einschließlich des Werks; monatlicher Bericht an die Konzerngeschäftsführung

- -Co-Planung und alleinverantwortliche Steuerung der Sanierung des Werks inklusive Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen

- Sicherstellung der Lieferfähigkeit des Werks während des Turnarounds und darüber hinaus unter Minimierung der Lagerbestände und der benötigten Personalkapazität

- Budgetplanung und Budgetverantwortung für das Werk

- Investitionsplanung sowie Beschaffung von Investitionsgütern und Umsetzung von Investionsvorhaben

- Controlling

- Kalkulation

- Abwicklung von größeren Rechtsstreitigkeiten und größeren Versicherungsfällen

- Vorbereitung und ordnungsgemäße Durchführung der jährlichen Inventur

- Kommunikation und Verhandlungen mit dem Betriebsrat

- Kommunikation mit Banken, daher Verhandlungsführung zur Sicherstellung der weitern Finanzierung

- Kommunikation mit den weiteren Konzernfunktionen, insbesondere Logistik, Vertrieb und F&E

- Schaffung einer Basis für datengetriebene Entscheidungsfindung

- Etablierung von Produktionsleistungsdaten

- Vorbereitung und Umsetzung von arbeitsrechtlichen Maßnahmen

- Betreuung und Weiterentwicklung des xy-Projekts

- federführender Projektleiter für die Einführung von S. am Standort

- Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Arbeitssicherheit."

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 21.04.2016 das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2016 ordentlich gekündigt.. Der Kläger wurde nach Überreichen der Kündigung freigestellt. Den bei der Beklagten bestehenden Betriebsrat hat sie zuvor nicht angehört.

Der Kläger hat vorgetragen,

Er sei entgegen der Auffassung der Beklagten kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Deshalb habe der Betriebsrat zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses angehört werden müssen. Die Erteilung der Gesamtprokura füh...

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