Entscheidungsstichwort (Thema)

Dringende betriebliche Erfordernisse und Unvermeidbarkeit einer Kündigung. Nachweis des betriebsbedingten Kündigungsgrundes durch den Arbeitgeber. Gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit einem leitenden Angestellten ohne Begründung. Antrag des Arbeitgebers auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 24.05.2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, NZA 2012, 1223 ff.; 16.12.2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186). Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 24.05.2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, NZA 2012, 1223 ff.; 16.12.2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186).

2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 24.05.2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, NZA 2012, 1223 ff.; 16.12.2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 24.05.2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, NZA 2012, 1223 ff.; 23.02.2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852 ff.).

3. Gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG bedarf zwar der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung eines Arbeitsverhältnisses mit einem leitenden Angestellten keiner Begründung. Vorliegend ist jedoch davon auszugehen, dass die Voraussetzungen eines leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG in der Person des Klägers offensichtlich nicht erfüllt sind.

4. Unter Beachtung der auf Bestandsschutz gerichteten Intention des Kündigungsschutzgesetzes kommt auf Antrag des Arbeitgebers eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nur in Betracht, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Dabei sind an die Gründe strenge Voraussetzungen zu stellen. Auflösungsgründe i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere zukünftige gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. In diesem Sinne können als Auflösungsgrund auch Erklärungen des Arbeitnehmers oder von ihm veranlasste Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten geeignet sein, wenn er sie sich zu Eigen gemacht hat.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2, § 9; ZPO § 322; KSchG § 9 Abs. 1 S. 2, § 14 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 12.07.2017; Aktenzeichen 1 Ca 1466/16)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 12.07.2017, Az.: 1 Ca 1466/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren allein noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie über einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag.

Der 1987 geborene, ledige Kläger war zunächst ab dem 01.01.2014 bis zum 31.12.2015 für...

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