Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutz im Tendenzunternehmen. Kündigung eines Redakteurs

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Verstoß gegen allgemeine Arbeitsanweisungen (hier: Anforderungsprofil für die Gestaltung von Beiträgen in einem Wirtschaftsmagazin) stellt nicht in jedem Fall einen Eingriff in die Tendenz des Unternehmens dar.

Hinzukommen muß, daß das Anforderungsprofil nicht nur arbeitstechnische und formale Vorgaben, sondern darüber hinausgehende, die Tendenz des Unternehmens berührende Grundaussagen enthält.

 

Normenkette

KSchG § 1; BetrVG § 118; GG Art. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 08.03.1995; Aktenzeichen 10 Ca 7175/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.01.1997; Aktenzeichen 2 AZR 98/96)

 

Tenor

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.03.1995 – 10 Ca 7175/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung der Beklagten.

Der 41jährige, ledige Kläger ist aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 20.02.1992 seit dem 01.04.1992 bei der Beklagten, die das Magazin „W.” betreibt, als Redakteur im Ressort „Management und Karriere” beschäftigt. In der Präambel zum Vertrag vom 20.02.1992 heißt es:

„Die W. ist ein Wirtschaftsmagazin, dessen Grundhaltung und -linie vom System der freien, sozialen Marktwirtschaft geprägt ist. Der Redakteur verpflichtet sich, diese Linie einzuhalten, ihre Einhaltung durch die Redaktion gemeinsam mit dem Chefredakteur sicherzustellen und die W. von parteipolitischen und wirtschaftlichen Einflüssen freizuhalten.”

Der Kläger bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 7.400,– DM. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung.

Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 26.07.1994 und 25.08.1994 jeweils eine Abmahnung und begründete diese im wesentlichen damit, daß zwei vom Kläger eingereichte Artikel nicht den Qualitätsanforderungen der Beklagten genügten.

Nachdem sie eine weitere Abhandlung des Klägers für nicht qualitätsgerecht empfunden hatte, hörte sie den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 10.10.1994 (Bl. 29–31 d.A.) zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Der Betriebsrat antwortete mit Schreiben vom 14.10. und 17.10.1994 (Bl. 32–34 d.A.) und verwies unter anderem darauf, daß der Kläger als Nachrichtenredakteur weiterbeschäftigt werden könnte.

Unter dem 17.10.1994 kündigte die Beklagte gleichwohl das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.04.1992.

Mit seiner am 28.10.1994 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht, die er für sozial ungerechtfertigt hält.

Er hat zudem die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten und seine tatsächliche Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzrechtsstreites begehrt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten vom 17.10.1994 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30.04.1995 beenden wird,
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Verfahrens als Redakteur der „W.” weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis zum 30.04.1995 gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, wobei die Höhe der Abfindung in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Beklagte hat zur Betriebsratsanhörung auf ihr Schreiben vom 10.10.1994 verwiesen und gemeint, daß sie damit ihrer Anhörungspflicht ausreichend nachgekommen sei.

Zur Begründung der Kündigung hat die Beklagte zunächst auf ein von ihr konzipiertes „Anforderungsprofil für eine W.-Magazingeschichte” (Bl. 35 u. 36 d.A.) abgestellt. Aus diesem Profil ergebe sich, daß sich die Beklagte mit ihrem Presseerzeugnis an eine gebildete und gehobene Leserschaft wende und jeder Redakteur deshalb ein im journalistischen Sinne einwandfreies Arbeitsergebnis zu erbringen hätte. Dem, so die Beklagte weiter, habe der Kläger in der Vergangenheit nicht genügt. So sei es ihm im Juli 1994 nicht gelungen, den bei ihm in Auftrag gegebenen Artikel „Gründerkarrieren vom Markt gefegt” in einer akzeptablen Fassung – auch nach Überarbeitung – abzuliefern. Insbesondere habe es der Kläger versäumt herauszustellen, warum Ausländer in Deutschland als Unternehmer so erfolgreich seien, die in dem Artikel im übrigen auch kaum zitiert würden. Außerdem habe der Kläger den ihm genannten Abgabetermin um eine Woche überzogen, was letztlich zu der Abmahnung vom 26.07.1994 geführt hätte.

Eine weitere, dem Kläger aufgegebene Magazingeschichte mit dem Titel „Corporate Identity” wäre unter dem Blickwinkel zu erstellen gewesen, ob der erhebliche finanzielle Aufwand, den Unternehmen in der Vergangenheit diesem Thema gewidmet hätten, sich gelohnt habe, insbesondere unter dem Einfluß der Rezession. Der daraufhin abgelieferte Artikel hätte demgegenüber keine k...

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