Entscheidungsstichwort (Thema)
Personenbedingter Kündigungsgrund. Langanhaltende Krankheit. Auflösungsantrag des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine negative Gesundheitsprognose lässt sich nicht daraus ableiten, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung seit ca. einem Jahr andauernd erkrankt war und vier Monate vor Ausspruch der Kündigung ein erfolgloser Arbeitsversuch unternommen wurde.
2. Dass ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit den arbeitsgerichtlichen Prozessen die Einschaltung der Presse oder gar des Staatsanwalts in Aussicht gestellt hat, stellt für sich genommen auch kein illegales Verhalten dar, das einen Auflösungsantrag rechtfertigen könnte. Im Rahmen der Arbeitsgerichtsprozesse erweisen sich die geschilderten „Drohungen” noch als zulässiges Druckmittel, um auf die aus Sicht des Arbeitnehmers bestehenden rechtsunwirksamen Maßnahmen des Arbeitgebers hinzuweisen.
3. Der Vorwurf des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer sich bei Annäherung von Vorgesetzten provozierend verhalte, grinse und pfeife,ist demgegenüber bereits gravierender, vermag aber vorliegend dennoch eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht zu rechtfertigen.Der Vorhalt, der Arbeitnehmer habe seine Vorgesetzten als Witzfiguren bezeichnet, erweist sich als ehrverletzende und beleidigende Äußerung, die grundsätzlich geeignet sein kann, zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu führen.
Normenkette
KSchG §§ 1, 9
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 25.11.2008; Aktenzeichen 4 Ca 1599/08) |
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 25.11.2008 – 4 Ca 1599/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung und über die Begründetheit eines Auflösungsantrags.
Der am 12.07.1954 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 01.01.1994 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 10.12.1993 als Hausmeister beschäftigt. Seine Bruttomonatsvergütung beträgt derzeit circa 2.135,– EUR. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung.
Die Beklagte führt ein Unternehmen, das auf die Verwaltung, den Neubau, die Sanierung und den Verkauf von Immobilien gerichtet ist. In vom ihr betreuten Gebiet besitzt und verwaltet sie derzeit circa 7200 Wohneinheiten. Die Beklagte beschäftigt knapp 100 Arbeitnehmer.
Im April 2007 wies die Beklagte dem Kläger eine andere Tätigkeit im Bereich der Wohnumfeldpflege zu. Seine hiergegen gerichtete Klage hatte in zwei Instanzen vor dem Arbeitsgericht Wuppertal (Aktenzeichen 8 Ca 1574/07) und dem LAG Düsseldorf (Aktenzeichen 11 Sa 1908/07) Erfolg.
Am 16.07.2007 erkrankte der Kläger dauerhaft. Ein Arbeitsversuch im Januar 2008 blieb zunächst ergebnislos.
Die Beklagte hörte deshalb den bei ihr bestehenden Betriebsrat unter dem 29.04.2008 zu einer beabsichtigten personenbedingten Kündigung an (Bl. 27 d. A.). Der Betriebsrat antwortete mit Schreiben vom 06.05.2008 und meldete Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung an (Bl. 28 d. A.). Die Beklagte kündigte alsdann unter dem 19.05.2008 das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.12.2008. Ab dem 18.06.2008 war der Kläger zunächst wieder arbeitsfähig.
Mit seiner am 26.05.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 19.05.2008, zugegangen am 23.05.2008, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat zur Begründung der Kündigung darauf verwiesen, dass zum Zeitpunkt ihres Zugangs nicht absehbar gewesen sei, wann mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers gerechnet werden konnte. Eine befristete Einstellung als Ersatz für den Kläger sei kaum möglich gewesen. Zudem hätte die Gefahr bestanden, dass der Kläger sich in Zukunft erneut arbeitsfähig meldete, um dann nach einigen Stunden Arbeit wieder auszufallen.
Die Beklagte hat darüber hinaus die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses begehrt und hierzu vorgetragen, eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit sei nicht mehr zu erwarten, das Vertrauensverhältnis mit dem Kläger nachhaltig zerstört. So habe sich der Kläger im Rahmen dieses und des Vorprozesses nicht nur gegen die angeordnete Versetzung gewehrt, sondern sich quasi als „Märtyrer” dargestellt. Er habe beide Rechtsstreite sehr emotional geführt. Insgesamt lasse sich aus seinem Verhalten rückschließen, dass der Kläger der Auffassung sei, die Beklagte trenne sich von ihren Arbeitnehmern auf unangemessene und rechtswidrige Weise, indem ein rechtswidriger und arbeitsrechtlich unzulässiger Druck aufgebaut werde.
Darüber hinaus hätte der Klä...