Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkung von Tarifverträgen bei deren arbeitsvertraglich vereinbarter Geltung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Rückwirkung einer tariflichen Vereinbarung ist bei nichtgewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern, bei denen ein Tarifvertrag nur kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme gilt, ebenso durch die Grundsätze des Vertrauensschutzes begrenzt wie der Vertrauensschutz gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer. Der Vertrauensschutz in den Fortbestand einer tariflichen Regelung entfällt bei diesen Arbeitnehmern wie bei den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern im Allgemeinen dann, wenn die Tarifvertragsparteien eine "gemeinsame Erklärung" über den Inhalt der Tarifänderung und den beabsichtigten Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vor Abschluß des Tarifvertrages abgeben und diese den betroffenen Kreisen bekanntgemacht wird. Auf die Kenntnis jedes einzelnen Arbeitnehmers kommt es für den Wegfall des Vertrauensschutzes nicht an. Maßgeblich ist die Kenntnis der betroffenen Kreise, der Normadressaten.

 

Orientierungssatz

Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 1 AZR 584/00.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 13.01.2000 - Az.: 3 (4) Ca 2487/99 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Vergütung für Arbeitsstunden, die der Kläger über die tarifliche Arbeitszeit hinaus geleistet hat.

Die Beklagte zu 1. ist ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie betreibt unter anderem in K. ein Zweigwerk für Anlagenprodukte. Sie ist Mitglied des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e. V. In ihrem Werk in K. besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte zu 2. ist 1998 durch Umwandlung aus der Niederlassung der Beklagten zu 1. in K. entstanden.

Der Kläger war seit dem 17.11.1986 zunächst aufgrund eines bis zum 31.05.1987 befristeten Arbeitsvertrages vom 14.11.1986 (Blatt 57 der Akte) bei der Beklagten zu 1. beschäftigt. Gemäß Ziffer 5 dieses Arbeitsvertrages gelten für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie und Betriebsvereinbarungen des jeweiligen Standortes. Nach Befristungsablauf wurde der Kläger zunächst von der Beklagten zu 1. und später bei der Beklagten zu 2. weiterbeschäftigt.

Der Bruttomonatslohn des als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigten Klägers betrug im Jahre 1997 DM 4.923,76.

Nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie in NRW in der Fassung vom 11.12.1996 betrug die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ab dem 01.10.1995 35 Wochenstunden (§ 3 Nr. 1 MTV). Am 11.12.1996 schlossen die Tarifvertragsparteien einen zum 01.01.1997 in Kraft getretenen "Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung 1997". Nach § 6 dieses Tarifvertrages wollen sich die Tarifvertragsparteien in Härtefällen darum bemühen, für einzelne Unternehmen Sonderregelungen zwecks Erhalts der Arbeitsplätze zu schaffen.

Am 27. September 1996 schlossen der Betriebsrat des Betriebes der Beklagten zu 1. in K. und deren Unternehmensleitung eine "Betriebsvereinbarung über Arbeitszeit/Flexible Arbeitszeit" (Blatt 58 ff der Akte). In dieser heißt es unter anderem:

"Arbeitszeit/Flexible Arbeitszeit

Arbeitszeit

Die tarifliche Arbeitszeit beträgt 35 Stunden pro Woche.

Die betriebliche Regelarbeitszeit beträgt generell 40 Stunden pro

Woche.

Ein Teil der mehr geleisteten Arbeitszeit (1,5 Stunden) wird in

Form von 9 freien Tagen ausgeglichen. Bis Jahresende aus

betrieblichen Gründen nicht in Anspruch genommene V-Tage müssen

bis spätestens 31.03. des Folgejahres genommen werden.

Diese Tage werden in Form von Brückentagen in einer gesonderten

Vereinbarung festgelegt.

Festgelegte Brückentage gelten als genommen, wenn ein Mitarbeiter

an diesen Tagen arbeitsunfähig erkrankt.

Die von jedem Mitarbeiter zusätzlich erbrachte Arbeitszeit liegt

jeweils um 3,5 Stunden über der tariflichen wöchentlichen

Arbeitszeit. Eine Vergütung für diese zusätzlich geleisteten

Stunden erfolgt nicht.

...

Monatliche Bezahlung

Die Monatsentgelte und Monatsgehälter werden auf Basis der 35

Stunden/Woche (152,25 Monatsstunden) unverändert fortgezahlt.

Inkrafttreten und Kündigung

Diese Vereinbarung tritt am 01.01.1997 in Kraft. Sie kann unter

Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zum Halbjahresende

gekündigt werden, erstmalig zum 31.12.1998. In beiderseitigem

Einvernehmen kann sie jederzeit aufgehoben werden."

Der Kläger machte entsprechend einer Aufforderung der IG Metall mit (Formular-) Schreiben ohne Datum (Eingangsstempel der Beklagten vom 20.02.1997, Blatt 31 der Akte) für die Zeit ab 01.07.1997 die Vergütung der Arbeitszeit geltend, "die über die wöchentliche individuelle Arbeitszeit liegt (35 Stunden + 1,5 Stunden Regelung Brückentage) ab 01. Januar 1997 als Mehrarbeit mit den tariflich vorgesehenen Zuschlägen". In diesem Schreibe...

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