Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Zustandekommen einer Gesamtzusage des Arbeitgebers. Rechtswirkungen des Schweigens des Arbeitgebers auf Ausführungen der Gewerkschaftsvertreter in einer Betriebsversammlung. Bevorzugung der Gewerkschaftsmitglieder bei der Höhe der Sozialplanabfindung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen (BAG, Urteil vom 3. Juni 2020 - 3 AZR 730/19 - Rn. 50).
2. Schweigt der Arbeitgeber auf einer Betriebsversammlung zu einer Erklärung der Gewerkschaftsvertreterin, Mitglieder der Gewerkschaft würden - wie bereits in Jahren zuvor - eine um den Faktor von 0,1 erhöhte Sozialplanabfindung erhalten, liegt darin mangels eigener ausdrücklicher Willenserklärung keine Gesamtzusage.
3. Ob eine Gesamtzusage, die gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, gegenüber denjenigen, die sie begünstigt, wirksam ist, bleibt unentschieden.
Normenkette
BGB §§ 145, 151; GG Art. 3; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.09.2021; Aktenzeichen 10 Ca 2167/21) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.10.2021; Aktenzeichen 11 Ca 2168/21) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.10.2021; Aktenzeichen 11 Ca 2170/21) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.10.2021; Aktenzeichen 11 Ca 2171/21) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 10.01.2022; Aktenzeichen 6 Ca 1607/21) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.10.2021; Aktenzeichen 14 Ca 2454/21) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.10.2021; Aktenzeichen 14 Ca 2457/21) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.11.2021; Aktenzeichen 7 Ca 1612/21) |
Tenor
Die Berufungen
der Klägerin zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.09.2021 - 10 Ca 2167/21 -,
des Klägers zu 2. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.10.2021 - 11 Ca 2168/21 -,
der Klägerin zu 3. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.10.2021 - 11 Ca 2170/21 -,
des Klägers zu 4. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.10.2021 - 11 Ca 2171/21 -,
des Klägers zu 5. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.01.2022 - 6 Ca 1607/21 -,
der Klägerin zu 6. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.10.2021 - 14 Ca 2454/21,
der Klägerin zu 7. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.10.2021 - 14 Ca 2457/21 -,
der Klägerin zu 8. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.11.2021 - 7 Ca 1612/21 -
werden zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1. zu 9,4 %, der Kläger zu 2. zu 15,6 %, die Klägerin zu 3. zu 8,3 %, der Kläger zu 4. zu 15,7 %, der Kläger zu 5. zu 14,4 %, die Klägerin zu 6. zu 14,5 %, die Klägerin zu 7. zu 11,3 % und die Klägerin zu 8. zu 10,8 %.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob den Klägerinnen und Klägern aufgrund einer mündlichen Zusage als Mitglieder der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) eine um den Faktor von 0,1 erhöhte Sozialplanabfindung zusteht.
Die Beklagte ist eine Anbieterin von Airline-Catering und ein Unternehmen der h. group. Zu der Unternehmungsgruppe gehörte die H. GmbH West mit einem Betrieb am Düsseldorfer Flughafen. Sie wurde zum 01.10.2019 auf die Beklagte verschmolzen. Die Klägerinnen und Kläger waren bei der H. GmbH West beschäftigt. Ihre Arbeitsverhältnisse gingen mit der Verschmelzung auf die Beklagte über.
Durch die Insolvenz von Air C. und die Einstellung des gesamten Flugbetriebs im Jahr 2017 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage des Catering-Unternehmens am Standort Düsseldorf. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2017 eine Personalanpassung vorgenommen. Am 06.12.2017 schloss die H. GmbH West mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Sozialplan, in dem es auszugsweise wie folgt heißt:
"1. Geltungsbereich
a. Dieser Sozialplan gilt sachlich für die im Projekt "Restrukturierung Air C. 2017" zusammengefasste Betriebsänderung.
....
4. Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes
a. Jeder anspruchsberechtigte ausscheidende Mitarbeiter erhält eine Abfindung, die sich wie folgt berechnet:
Betriebszugehörigkeit x Monatsbrutto x 0,9
........
c. Bei dem Monatsbrutto ist abzustellen auf die individuelle monatliche Bruttovergütung des Monats September 2017.
....
10. Schlussbestimmungen
Änderungen und Ergänzungen dieses Sozialplans bedürfen der Schriftform.
....
11. Sozialplan Laufzeit
Dieser Sozialplan tritt mit Unterzeichnung in Kraft und endet am 31.12.2021."
Daneben vereinbarte die H. GmbH West mündlich mit der Gewerkschaft NGG, dass deren Mitglieder eine um den Faktor 0,1 erhöhte Abfindung erhalten, wenn sie keine Kündigungsschutzklage erheben. Die Zusage wurde in der Folgezeit umgesetzt.
Im Jahre 2019 sah sich die Beklagte zu einer weiteren Personalanpassung veranlasst.
In der Betriebsratssitzung am 18.09.2019, die u.a. in Anwesenheit der Geschäftsführerin der ...