Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert. Beschlussverfahren. Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs mit dem Regelungsgegenstand Arbeitszeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Streit über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruches und damit über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung ist hinsichtlich der Bemessung des Gegenstandswertes nach den Grundsätzen über den Streit um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts oder die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung zu behandeln.

2. Bei der Bemessung der streitwertmäßigen Bedeutung, die eine Auseinandersetzung um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts hat, ist von der Anzahl der betroffenen Beschäftigten auszugehen und sich dabei an der Staffel des § 9 BetrVG zu orientieren; das Gleiche gilt, soweit es um die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung geht. Dabei ist regelmäßig der Grundfall von bis zu 20 Beschäftigten mit dem einfachen Auffangwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG in Höhe von 4.000,00 EUR in Ansatz zu bringen; für die weiteren in § 9 BetrVG vorgesehenen Staffeln sind jeweils zusätzlich 4.000,00 EUR zu berücksichtigen (LAG Hamburg, Beschluss vom 30. November 2009 – 4 Ta 12/09 –, juris).

 

Normenkette

RVG § 23 Abs. 3, § 33; BetrVG § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 03.11.2011; Aktenzeichen 16 BV 26/09)

 

Tenor

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 3. November 2011 – 16 BV 26/09 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Zu entscheiden ist über eine Beschwerde gegen einen Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts.

Im zugrundeliegenden Ausgangsverfahren hat die zu 1. beteiligte Arbeitgeberin den Spruch einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Arbeitszeit” vom 7. Dezember 2009 angefochten. Beteiligter zu 2. war der Betriebsrat. Die Arbeitgeberin betreibt in Hamburg-E. eine Klinik. Dort sind ca. 1.300 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Einigungsstelle tagte insgesamt 17 Mal, erstmals am 8. Dezember 2008 und zuletzt am 7. Dezember 2009.

Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2009 leitete die Arbeitgeberin das zugrundeliegende Anfechtungsverfahren ein. Die Anfechtung des Einigungsstellenspruches wurde von der Arbeitgeberin begründet mit der Befangenheit des Einigungsstellenvorsitzenden sowie damit, der Beschluss sei widersprüchlich, unklar, rechtswidrig und zumindest ermessensfehlerhaft.

Das zugrundeliegende Beschlussverfahren wurde vor der mündlichen Anhörung auf Wunsch beider Beteiligten ruhend gestellt. Mit Schriftsatz vom 7. September 2011 hat die Arbeitgeberin ihren Antrag zurückgenommen, woraufhin das Verfahren mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 28. September 2011 eingestellt wurde.

Mit Schriftsatz vom 27. September 2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrates beantragt, den Gegenstandswert für das Beschlussverfahren auf 250.000,00 EUR festzusetzen. Die Beteiligte zu 1. hat beantragt, den Gegenstandswert auf 4.000,00 EUR festzusetzen.

Mit Beschluss vom 3. November 2011, dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ausweislich des Empfangsbekenntnis am 7. November 2011 zugestellt, hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für den Antrag aus der Antragsschrift vom 22. Dezember 2009 auf 52.000,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG. Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit sei daher nach billigem Ermessen zu bestimmen. Es sei nach Lage des Falles angemessen, den 13-fachen Hilfswert (4.000,00 × 13), mithin 52.000,00 EUR als Gegenstandswert festzusetzen. Hierfür spräche die Auswirkung des Einigungsstellenspruches auf eine nicht unerhebliche Beschäftigtenzahl, die Tatsache, dass der Spruch sämtliche Arbeitszeitfragen regele, der anwaltliche Arbeits- und Zeitaufwand im vorausgegangenen Einigungsstellenverfahren sowie der Vergleich mit der rechtskräftigen Festsetzung des Gegenstandswertes in Höhe von 16.000,00 EUR im Beschlussverfahren 27 BV 18/08, in dem der Betriebsrat einen Einigungsstellenspruch angefochten habe.

Mit der am 21. November 2011 bei Gericht eingegangenen Beschwerde begehrt der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats die Abänderung des Gegenstandswertbeschlusses des Arbeitsgerichtes und die Festsetzung des Gegenstandswertes auf EUR 250.000,00. Zur Begründung verweist er auf die erhebliche Bedeutung des Einigungsstellenspruches für die Beteiligte zu 1. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung sei darauf hinzuweisen, dass unter anderem durch den Wegfall der Möglichkeit eines „Abkaufens” von Überstunden erhebliche Veränderungen auch in wirtschaftlicher Hinsicht gestaltet worden seien. Der Vergleich mit der Wertfestsetzung im Verfahren 27 BV 18/08 überzeuge nicht, da in jenem Verfahren nur 17 Beschäftigte betroffen gewesen seien. Der im Streitfall angefochtene Einigungsstellenspruch betreffe ca. 1.240 Beschäftigte. Auch dies mache deutlich, dass der beantragte Gegenstandswert in Höhe von EUR 250.000,00 zumindest angemess...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge