Entscheidungsstichwort (Thema)
Herabsetzung des Gegenstandswerts für Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu personellen Einzelmaßnahmen in einer Vielzahl gleich oder ähnlich gelagerter Fälle
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Ersetzungsantrag auf Zustimmung des Betriebsrats zu einer Einstellung, Versetzung oder Höhergruppierung gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ist im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse an der Maßnahme sowie aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich mit zwei Monatsentgelten des betreffenden Arbeitnehmers zu bewerten und für den Antrag des Arbeitgebers nach § 100 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf Feststellung, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, ist ein Monatsentgelt anzusetzen.
2. Ausnahmsweise unter sehr engen Voraussetzungen kann die Festsetzung eines geringeren Gegenstandswerts angezeigt sein, wie z. B. bei einer auf einer einheitlichen Unternehmerentscheidung beruhenden Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen personellen Einzelmaßnahmen. Ein Wertabschlag von 50% ist in derartigen Fällen angemessen.
Normenkette
RVG § 33 Abs. 1, § 23 Abs. 3 S. 2; BetrVG § 99 Abs. 1, § 100
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 22.03.2016; Aktenzeichen 16 BV 1/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22. März 2016 - 16 BV 1/16 - wird zurückgewiesen.
Der Arbeitgeber hat die Beschwerdegebühr in Höhe von € 50,00 zu tragen.
Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt.
Gründe
I.
In dem zugrundeliegenden Beschlussverfahren hat der Arbeitgeber mit seiner Antragsschrift vom 08. Januar 2016 die Zustimmungsersetzung zur befristeten Einstellung von 102 Leiharbeitnehmern für die Zeit vom 02. bis zum 31. Januar 2016 (§ 99 Abs. 4 BetrVG) sowie die Feststellung begehrt, dass die vorläufigen Einstellungen im vorgenannten Zeitraum aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sind (§ 100 Abs. 2 BetrVG). Der Betriebsrat hat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 27. Januar 2016 beantragt die Anträge des Arbeitgebers zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber hat für die Beschäftigung der im Antrag bezeichneten 102 Arbeitnehmer Kosten in Höhe von insgesamt € 94.016,50 aufgewendet.
Das Arbeitsgericht hat das Verfahren nach Antragsrücknahme durch Beschluss vom 03. Februar 2016 eingestellt.
Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats haben mit Schriftsatz vom 29. Februar 2016 die Festsetzung des Gegenstandswerts beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert durch Beschluss vom 22. März 2016 auf € 141.024,75 festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, grundsätzlich betrage der Gegenstandswert in Beschlussverfahren mit dem Streitgegenstand einer Einstellung als personelle Einzelmaßnahme zwei Bruttomonatsvergütungen des von der Einstellung betroffenen Beschäftigten. Der Wert des mit dem Zustimmungsersetzungsverfahren verbundenen Feststellungsantrags nach § 100 BetrVG ist mit einer Bruttomonatsvergütung anzusetzen. Bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern bemesse sich die Höhe der zu Grunde zu legenden Bruttomonatsvergütung nach dem Entgelt, das der Arbeitgeber dem Verleiher zahle. Mit Blick auf die Tatsache, dass die streitgegenständlichen Einstellungen jeweils auf einen Monat befristet gewesen seien, erscheine in Abweichung der dargestellten Grundsätze, die für den Regelfall der unbefristeten Einstellung entwickelt worden seien, eine Reduzierung der anzusetzenden Werte für den konkreten Fall nach § 99 Abs. 4 BetrVG auf eine Bruttomonatsvergütung und für den Antrag nach § 100 BetrVG auf eine halbe Bruttomonatsvergütung angemessen.
Gegen diesen dem Arbeitgeber am 29. März 2016 zugestellten Beschluss hat der Arbeitgeber unter dem 06. April 2016 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des geringen objektiven Arbeitsaufwands für die Beteiligten eine Begrenzung des Wertes der Anträge nach § 99 Abs. 4 BetrVG und § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG auf insgesamt einen Monatsaufwand je Leiharbeitnehmer angemessen sei. Die zusätzliche Berechnung einer halben Bruttomonatsvergütung für den Feststellungsantrag nach § 100 BetrVG neben der für den Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG bereits festgesetzten gezahlten Monatsentgelts erscheine daher nicht angemessen. In einem Parallelverfahren vor dem Arbeitsgericht Hamburg sei bereits entsprechend über den Gegenstandswert entschieden worden (ArbG Hamburg Beschluss vom 03. März 2016 - 3 BV 27/15 -).
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde gemäß Beschluss vom 27. April 2016 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine weitere Reduzierung des Gegenstandswerts für beide Anträge auf insgesamt ein Bruttomonatsentgelt erscheine vor dem Hintergrund der Vielzahl der Einstellungen, die Gegenstand des Verfahrens gewesen seien, und der damit einhergehenden Bedeutung der Angelegenheit nicht angemessen.
Dem Arbeitgeber und dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist Gelegenheit gegeben worden zum vorgenannten Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts und zum Beschwerdeverfahren ins...