Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines BR-Mitglieds aus wichtigem Grund und Zustimmungsersetzung nach § 103 BetrVG. Keine Zustimmungsersetzungs nach § 103 BetrV, wenn im Falle eines Betriebsteilübergangs und Wiederspruchs die ordentl. Kü. nach §§ 15 Abs. 4 und 5 KschG nur deshalb verwehrt ist, weil der ArbN laut TV altersgesichert und daher nur nach § 626 BGB kündbar ist
Leitsatz (amtlich)
Beim Nichterfordernis der Zustimmung des BR nach § 103 Abs. 1 BetrV in den Fällen der ordentlichen Kündigung nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG bleibt es auch dann, den die betriebsbedingte ordentliche Kündigung wegen der tariflichen Alterssicherung aisgeschlossen ist und die Kündigung daher als außerordentliche befriestete ausgesprochen werden muß.
Diese Reduktion des Anwendungsbereichs des § 103 BetrVG rechtfertigt sich aus dem Zweck der Norm, nämlich die Unternehmerentscheidung bei Stillegung des Betriebs oder von Betriebsteile: von einer Zustimmung des BR freizuhalten.
Die tarifliche Unkündbarkeit (Alterssicherung) kann nicht für sich allein das Zustimmungserfordernis nach § 103 Abs. 1 BetrVG rechtfertigen.
Normenkette
BetrVG § 103; KSchG § 15 Abs. 4-5; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 08.08.1996; Aktenzeichen 27 BV 4/96) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. August 1996 – 27 BV 4/96 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der antragstellende ArbGeb. begehrt im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG die Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung (mit sozialer Auslauffrist) des Beteiligten zu 3), der Mitglied und Vorsitzender des BetrR (Beteil. zu 2) ist.
Der am 6. Januar 1936 geborene Beteiligte zu 3), Herr … ist seit September 1970 bei dem Beteiligten zu 1) beschäftigt, zuletzt als Sachverständiger (Chemotechniker) in der Abteilung 6.1 (Abteilung Umweltschutz), seit 1991 im Bereich Emissionsmessungen, zuvor im Labor. Er gehört seit 1992 dem BetrR an und ist seit Frühjahr 1995 dessen Vorsitzender. Ende Mai 1995 wurde er in vollem Umfang freigestellt, nachdem die Freistellung zunächst gesplittet worden war. Sein bisheriger Arbeitsplatz wurde mit einem Arbeitnehmer besetzt, der den Schutz des SchwbG genießt und dessen bisherigen Aufgaben auf andere Arbeitnehmer verteilt wurden. Außer der Freistellung des Beteil. zu 3) gibt es im Betrieb des ArbGeb. in der … in … eine weitere Freistellung entsprechend der Staffel des § 38 bs. 1 Satz 1 BetrVG.
Zum 1. April 1996 ist die Abteilung 6.1 als rechtlich selbständige Gesellschaft für … ausgegliedert worden. Sie bietet nunmehr unter der Firma … ihre Leistungen auf dem Markt an. Auf das vor der Ausgliederung gültige Organigramm wird verwiesen (Bl. 21). Die Arbeitnehmer der … haben inzwischen einen neuen BetrR gebildet.
Der Beteil. zu 3) widersprach mit Schreiben vom 12. März 1996 dem Betriebsübergang. Zugleich erklärte er sich bereit, künftig an das neue Unternehmen ausgeliehen zu werden (Bl 4).
Mit Schreiben vom 21. März 1996 beantragte der ArbGeb. bei dem BetrR die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist, nämlich mit einer Frist von 7 Monaten zum Monatsende. Eine ordentliche Beendigungskündigung des Beteil. zu 3) ist nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrag im Hinblick auf Lebensalter und Betriebszugehörigkeit ausgeschlossen. Im Schreiben vom 21. März 1996 heißt es (auszugsweise) wie folgt (Bl. 5):
„Herr … hat seinem Übertritt zur … zum 1. April 1996 widersprochen. Herr … ist ordentliches Mitglied des Betriebsrates der Zentrale Hamburg. Die Überprüfung einer Einsatzmöglichkeit von Herrn … auf einem gleich- oder geringerwertigen Arbeitsplatz innerhalb des verbleibenden Vereins mußte nicht überprüft werden, da Herr … von vornherein erklärt hat, daß er mit einem solchen Arbeitseinsatz nicht einverstanden ist. Wir können ihm unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten weder eine derzeit vakante Position anbieten, noch existiert eine im Rahmen der sozialen Auswahl vergleichbare Stelle in unserem Hause. Wir sehen uns daher gezwungen, das Arbeitsverhältnis mit Herrn … außerordentlich mit Sozialfrist zum 31. Oktober 1996 zu kündigen und bitten hierfür um Ihre Zustimmung.
gez …
Der BetrR hat die Zustimmung verweigert und zugleich der beabsichtigten Kündigung vorsorglich nach § 102 Abs. 3 BetrVG widersprochen. Nach seiner Auffassung verstieße die beabsichtigte Kündigung gegen das Kündigungsverbot aus § 15 Abs. 5 KSchG. Auf die umfangreichen Darlegungen – auch zum Weiterbeschäftigungsanspruch des Beteil. zu 3 nach § 102 Abs. 5 BetrVG – wird Bezug genommen (Bl. 6–10). Eine vorherige Beratung zwischen ArbGeb. und BetrR im Hinblick auf § 15 Abs. 5 KSchG hat es nicht gegeben.
Mit seinem am 28. März 1996 beim Gericht eingegangenen Antrag begehrt der ArbGeb. die Ersetzung der Zustimmung.
Er hat dazu vorgetragen...