Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines Globalantrags im Beschlussverfahren. Versetzungen innerhalb von Konzernunternehmen. Suspendierung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats während eines Arbeitskampfes
Leitsatz (redaktionell)
1. Beantragt ein Betriebsrat im Beschlussverfahren konkret die Fälle, in denen sein Mitbestimmungsrecht nicht eingreifen soll, ist dieser Antrag hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es handelt sich um einen Globalantrag, der einschränkungslos eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen erfasst. Dieser ist zulässig, jedoch grundsätzlich als insgesamt unbegründet abzuweisen, wenn unter ihn einzelne Sachverhalte fallen, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist.
2. Der Einsatz von Arbeitnehmern in dem Betrieb eines anderen Konzernunternehmens stellt eine Versetzung i.S.d. § 95 Abs. 3 BetrVG dar und unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Bei dieser Versetzung hat nicht nur der Betriebsrat des aufnehmenden, sondern auch der des abgebenden Betriebs nach § 99 BetrVG mitzubestimmen.
3. Während eines Arbeitskampfes bleibt der Betriebsrat mit allen Rechten und Pflichten im Amt und hat dieses Amt neutral wahrzunehmen. Er ist aber daran gehindert, einzelne Mitbestimmungsrechte, die durch das Streikgeschehen bedingt sind, auszuüben, wenn hierdurch die Arbeitskampffreiheit des Arbeitgebers ernsthaft beeinträchtigt wird.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; BetrVG § 95 Abs. 3, § 99 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 17.10.2017; Aktenzeichen 15 BV 2/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Oktober 2017 - 15 BV 2/17 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über Mitbestimmung gemäß § 99 BetrVG bei Versetzungen in den Betrieb eines anderen Konzernunternehmens während eines dort laufenden Arbeitskampfes.
Die Beteiligte zu 2. (Arbeitgeberin) erbringt Dienstleistungen im Bereich der Fluggastabfertigung am Hamburger Flughafen. Der Beteiligte zu 1. ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Gesellschafterin der Arbeitgeberin ist u.a. die A. GmbH Holding (vgl. Organigramm Anlage AG 1, Bl. 63 d.A.), die auch Gesellschafterin anderer an Flughäfen operativ tätiger Dienstleistungsgesellschaften ist. Für die einzelnen operativen Unternehmen sind jeweils - inhaltlich divergierende - Tarifverträge geschlossen. Die Arbeitgeberin ist Mitglied des Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (AVH).
Ein Arbeitgeberverband der Bodenverkehrsdienstleister besteht nicht. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) strebt - wie in verschiedenen Verlautbarungen (Anlagen AG 2-9, Bl. 64-70 f., 130-138 d. A.) bekundet - den Abschluss eines Branchentarifvertrages an und führt diesbezüglich Gespräche mit Vertretern der Branchen-Arbeitgeber.
Im Februar 2017 wurde die S. GmbH (nachfolgend auch: "S."), ein Unternehmen, an dem die A. GmbH Holding als Gesellschafterin zu 49,04% beteiligt ist, bestreikt. Ziele des Streiks waren die Erhöhung der Vergütung um 2,00 € pro Stunde für alle Beschäftigten, eine gleiche Gewinnbeteiligung wie die der Beschäftigten der Muttergesellschaft F. ohne Bindung an Krankheitstage, die Gewährung einer Erholungsbeihilfe von 500,00 € für ver.di-Mitglieder, ein Aufstieg von Vergütungsgruppe 4 in Vergütungsgruppe 5 ab dem 15. Beschäftigungsjahr sowie eine Laufzeit von 12 Monaten vom 01. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 (vgl. Veröffentlichung ver.di Tarifkommission, Anlage BR 2, Bl. 100 f. d. A.). Die Tarifverhandlungen sind inzwischen abgeschlossen.
Am 15. und 16. Februar 2017 wurden acht Auszubildende der Arbeitgeberin mit deren Einverständnis der S. überlassen und von dieser in St. an Stelle dort streikender Arbeitnehmer in der Fluggastabfertigung eingesetzt. Hierüber wurde der Betriebsrat mit E-Mail vom 14. Februar 2017 (Anlage BR 1, Bl. 5 f. d.A.) unterrichtet. Seine Zustimmung zu dieser Maßnahme war nicht eingeholt worden.
Der Betriebsrat hat vorgetragen, die Arbeitgeberin sei von dem Streik in St. allenfalls mittelbar betroffen, sodass keine Suspendierung bestehender Mitbestimmungsrechte eintrete. Die ohne seine Zustimmung erfolgten Versetzungen des 15. und 16. Februar 2017 seien vielmehr ein grober Verstoß der Arbeitgeberin gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,
1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorübergehend in Betriebe anderer Konzernunternehmen zur Streikabwehr während der Dauer von Streikes in den anderen Konzernunternehmen zu versetzen, ohne den Betriebsrat nach §§ 99, 100 BetrVG zu beteiligen, es sei denn, die Arbeitgeberin wird selbst bestreikt oder ist selbst Partei einer Tarifauseinandersetzung;
2. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus dem Antrag zu 1. ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 € anzudrohen;
3. festzus...