Rechtsbeschwerde zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung durch Veränderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Versetzung. Arbeitsbereich. anderer Arbeitsbereich. Umstände. Vertretungsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs i. S. v. § 95 III BetrVG kann auch allein darauf beruhen, dass sich die Umstände ändern, unter denen die (ansonsten unveränderte) Arbeit zu leisten ist.

2. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs setzt nicht voraus, dass sich die Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, erheblich verändern. Von der Erheblichkeit der Veränderung hängt das Vorliegen einer Versetzung nur ab, wenn die Veränderung voraussichtlich weniger als einen Monat andauern wird.

3. Veränderungen des Arbeitsbereichs führen nicht zu einer Versetzung i. S. v. § 95 II BetrVG, wenn es sich um geringfügige Veränderungen handelt, mit denen der Arbeitnehmer bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses in Kenntnis der Organisation des Arbeitgebers rechnen musste.

 

Leitsatz (redaktionell)

Divergenz zu BAG v. 23.11.1993 – 1 ABR 38/93 – BAGE 75, 97 = NZA 94, 718; BAG v. 29.02.2000 – 1 ABR 5/99 – NZA 00, 1357

 

Normenkette

BetrVG § 95 Abs. 3, §§ 99, 81

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 16.12.2005; Aktenzeichen 22 BV 11/04)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 15.04.2008; Aktenzeichen 1 ABR 14/07)

 

Tenor

1) Es wird festgestellt, dass die Einführung der Vertretungsregelung zum 01.09.2003, wonach die Nachtwachen der Stationen 7 und 8 künftig auch in Vertretungsfällen auf anderen Stationen eingesetzt werden können, eine Versetzung im Sinne von §§ 99, 95 III BetrVG war.

2) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

[1] I. Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren nur noch darüber, ob die Einführung einer bestimmten Vertretungsregelung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterlag.

[2] Die Beteiligte zu 2) (Arbeitgeberin) betreibt eine Klinik, die sich schwerpunktmäßig mit Knochen- und Gelenkchirurgie befasst und in 6 Stationen gegliedert ist. Bis zur Einführung der neuen Vertretungsregelung für Nachtwachen Ende 2003, die das vorliegende Verfahren ausgelöst hat, war grundsätzlich jede Pflegekraft einer bestimmten Station zugeordnet und hatte ihre Dienste ausschließlich auf dieser Station zu verrichten. Einzige Ausnahme waren die Pflegekräfte der Station 4. Dort wurden regelmäßig 2 Nachtwachen eingesetzt, von denen eine bei kurzfristigen Personalausfällen auf anderen Stationen dort als Vertretung eingesetzt werden konnte.

[3] Infolge der Verkürzung der Verweildauer der Patienten wurden die Bettenzahlen auf allen Stationen reduziert und zwar auf der Station 4 von 34 auf 28, auf den Stationen 7 und 8 von jeweils 53 auf maximal 38 Betten pro Station. Mit der Reduzierung der Bettenzahl ging ein Personalabbau einher, welcher u. a. dazu führte, dass auf der Station 4 seither nur noch eine Nachtwache eingesetzt wird. Lediglich auf den Stationen 7 und 8 verrichten pro Nacht noch 2 Pflegekräfte ihren Dienst.

[4] Mit Wirkung vom 01.09.2003 traf die Arbeitgeberin die Anweisung, dass bei kurzfristigen Ausfällen der Nachtwachen auf einer der Stationen, die nur mit einer Nachtwache besetzt sind, eine der beiden Nachtwachen der Stationen 7 bzw. 8 die Vertretung der ausgefallenen Kraft übernehmen soll. Für die eventuelle Vertretung sind die Stationen 7 bzw. 8 im monatlichen Wechsel zuständig. Tritt der Vertretungsfall ein, soll die auf der Station 7 bzw. 8 allein verbliebene Nachtwache von einer der beiden Nachtwachen der jeweils anderen Station unterstützt werden, soweit dies aufgrund des Arbeitsanfalls notwendig ist.

[5] Der Beteiligten zu 1) ist der bei der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat. Er wurde von der Arbeitgeberin über die Änderung der Nachtwachenvertretung mit Schreiben vom 23.09.2003 (Anl. A1, Bl. 7 – 12) informiert. Seine Zustimmung wurde jedoch nicht eingeholt.

[6] Am 24.05.2004 leitete der Betriebsrat das vorliegende Beschlussverfahren ein mit dem Ziel, der Arbeitgeberin den Einsatz von Pflegekräften der Stationen 7 und 8 auf anderen Stationen während der Nachtwache untersagen zu lassen.

[7] Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, die Arbeitgeberin habe durch die Einführung der neuen Vertretungsregelung grob im Sinne von § 23 III BetrVG gegen ihre Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen. Bei der Übertragung der Springertätigkeit handele es sich um eine Zuweisung eines anderen Aufgabenbereichs, der mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden sei, unter denen die Arbeit zu leisten sei.

[8] Als erheblicher Umstand sei zu werten, dass im Rahmen der Nachtwache gegebenenfalls Patienten zu versorgen seien, die und deren Krankengeschichte den eingesetzten Beschäftigten nicht bekannt seien. Dies würde einen erhöhten Zeitbedarf für die Übernahme der Nachtwache erfordern, der im Rahmen der Dienstpläne jedoch nicht berücksichtigt werde. Die Arbeitsabläufe auf den Stationen seien ebenso unterschiedlich wie die Räumlichkeiten.

[9] Der Betriebsrat hat beantragt,

1) der B...

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