Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert für vergleichsweise Freistellungsregelung ohne Erledigung weiterer Ungewissheit oder Streitigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Festsetzung eines Vergleichswerts setzt voraus, dass ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird.

2. Ein den Wert eines Rechtsstreits übersteigender Vergleichswert kommt nur in Frage, wenn ein Gegenstand geklärt wird, der über den Gegenstand des Rechtsstreits hinausreicht.

3. Kein übersteigender Wert liegt bei solchen Regelungen vor, die als Leistung dafür erbracht werden, dass eine Einigung erfolgt, aber keinen Streit oder keine Ungewissheit über ein weiteres Rechtsverhältnis betreffen.

4. Eine Freistellungsregelung im Beendigungsvergleich hat keinen übersteigenden Vergleichswert, wenn zuvor nicht ein Streit oder eine Ungewissheit über die Freistellung bestand.

 

Normenkette

RVG § 33 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, 7; ZPO § 3; BGB § 779

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 23.07.2015; Aktenzeichen 27 Ca 98/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. Juli 2015 (27 Ca 98/15) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren verlangte der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung vom 12. Februar 2015.

Der Kläger war mit einer anrechenbaren Betriebszugehörigkeit seit dem 16. Oktober 2007 im Betrieb der Beklagten, in dem regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind, auf einem Arbeitsplatz in der Verwaltung in Hamburg beschäftigt. Sein Jahresgehalt betrug € 72.348,87 brutto. Im Termin zur Güteverhandlung am 24. April 2015 schlossen die Parteien einen Vergleich, wegen dessen Einzelheiten auf das Protokoll dieser Verhandlung (Bl. 17 ff d.A.) verwiesen wird.

Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht Hamburg nach deren Anhörung durch Beschluss vom 23. Juli 2015 den Gegenstandswert festgesetzt, und zwar auf € 18.087,22 für die Klage und für den Vergleich auf einen Mehrwert von € 13.465,52. Gegen diesen Beschluss, der den Prozessbevollmächtigten des Klägers 29. Juli 2015 zugestellt wurde, haben diese mit Schriftsatz vom 30. Juli 2015, beim Arbeitsgericht eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 14. August 2015 dieser Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes € 200 übersteigt. Das ist hier der Fall, weil die Anwaltsgebühren bei dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Wert € 4.488,68 betrügen, während sie sich bei dem von den Prozessbevollmächtigten des Klägers für richtig gehaltenen Wert auf € 5.202,68 beliefen. Die Beschwerde ist in der nach § 33 Abs. 7 Satz 1 RVG vorgesehenen schriftlichen Form beim Arbeitsgericht eingelegt worden, an das die Beschwerde nach § 33 Abs. 7 Satz 3 RVG zu richten ist. Die Beschwerdeführer sind durch den angegriffenen Beschluss beschwert, weil sich ihre Vergütung nach dem festgesetzten Wert richtet.

2) Die Beschwerde ist unbegründet, weil das Arbeitsgericht den Wert jedenfalls nicht zu niedrig festgesetzt hat.

a) Der Wert der in Ziffer 2 des Vergleichs geregelten Freistellung ist schon deshalb nicht zu niedrig festgesetzt, weil diese Freistellung überhaupt nicht werterhöhend zu berücksichtigen gewesen wäre. Eine Einigungsgebühr fällt an, wenn durch die Einigung der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (Ziffer 1000 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG). Durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs wird das Gerichtsverfahren erledigt, so dass der Wert des Vergleichs dem Wert des anhängigen Verfahrens entspricht. Ein Mehrwert für einen Vergleich kann nur entstehen, wenn dadurch weitere Streitigkeiten oder Ungewissheiten beseitigt werden, die noch nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens waren. Zweck der gebührenrechtlichen Regelung ist ersichtlich, dass die Mitwirkung an der gütlichen Klärung von Streitigkeiten oder Ungewissheiten vergütet werden soll. Nicht dagegen bezweckt die Regelung, dass die von beiden Seiten erbrachten Leistungen zur Erzielung der Einigung über den bereits anhängigen Gegenstand zusätzlich beim Wert berücksichtigt werden. Der "Preis", den beide Seiten zur Erledigung des anhängigen Verfahrens zahlen, ist für einen Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung. Nur die Erledigung weiterer Streitigkeiten oder Ungewissheiten rechtfertigt nach Ziffer 1000 RVG einen erhöhten Wert für die Einigungsgebühr.

Dieses Verständnis wird auch dadurch bestätigt, dass ein Mehrwert beim Vergleich zugleich eine höhere Verfahrens- und Termingebühr auslöst. Aus welchen Gründen ein "höherer Preis" für die Einigung nur des anhängigen Streitgegenstandes diese Folgen haben soll, ist nicht ersichtlich. Die Parteien haben ja gar keine weiteren Gegenstände geregelt, über die z...

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