Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung des SEBG als Voraussetzung für Verhandlungen über ein Beteiligungsverfahren. Zeitpunkt der Wirksamkeit einer Sitzverlegung einer SE. Verlegung einer als arbeitnehmerlose Holding-Gesellschaft im Ausland gegründeten SE nach Deutschland
Leitsatz (amtlich)
1. Verhandlungen um eine Beteiligungsvereinbarung wegen Gründung oder struktureller Änderung einer SE sind nur dann nach dem SEBG durchzuführen, wenn dieses auf die SE bei ihrer Gründung oder Planung struktureller Änderungen Anwendung findet.
2. Dies ist nicht der Fall, wenn eine SE als arbeitnehmerlose Holding-Gesellschaft mit Sitz in London gegründet wird, diese SE als Kommanditistin einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft eingetragen wird, aber erst danach selbst ihren Sitz nach Deutschland verlegt und im Zuge der Sitzverlegung die Aufsichtsratsverfassung wechselt.
Leitsatz (redaktionell)
Jede SE (Societé Européenne/Europäische Aktiengesellschaft) ist nach Art. 12 Abs. 1 SE-VO im Sitzstaat in ein nach dem Recht dieses Staates bestimmtes Register einzutragen. Eine Sitzverlegung wird nach Art. 8 Abs. 10 SE-VO erst zu dem Zeitpunkt wirksam, zu dem die SE gem. Art. 12 SE-VO im Register des neuen Sitzes eingetragen wird.
Normenkette
SEBG §§ 3, 2, 4, 18; SE-VO Art. 8 Abs. 10, Art. 12 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 28.02.2020; Aktenzeichen 17 BV 20/19) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. Februar 2020, Az. 17 BV 20/19, wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 1. zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten letztlich um die Frage, ob bei der Beteiligten zu 2. Verhandlungen über eine Beteiligungsvereinbarung der Arbeitnehmer nach dem SEBG zu führen sind, dabei darum, ob bei ihr das besondere Verhandlungsgremium gem. § 4 Abs. 1 SEBG zu bilden ist und ob die Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, dem Beteiligten zu 1. die Informationen nach § 4 Abs. 3 SEBG zu erteilen.
Antragsteller und Beteiligter zu 1. ist der bei der .... KG (im Folgenden nur: KG) gebildete Konzernbetriebsrat. Die KG beschäftigt rund 816 Mitarbeiter, ihre Tochtergesellschaften beschäftigen insgesamt rund 2.200 Mitarbeiter in Deutschland. Rechtsvorgängerin der KG ist die .... GmbH mit Sitz in Hamburg. Diese Gesellschaft wurde nach Maßgabe eines Beschlusses ihrer Gesellschafterversammlung vom 14. Juni 2013 formwechselnd in die Kommanditgesellschaft mit der Firma .... KG umgewandelt. Die bis zu diesem Zeitpunkt bei der .... GmbH bestehende Mitbestimmung im Aufsichtsrat der GmbH nach dem DrittelbG entfiel im Zuge der Umwandlung.
Alleinige Kommanditistin der KG wurde und ist die Beteiligte zu 2., Komplementärin der KG ist die .... SE, deren alleinige Anteilseignerin wiederum die Beteiligte zu 2. ist. Die Beteiligte zu 2. wurde Anfang 2013 als arbeitnehmerlose Holding-SE mit Sitz in L. gegründet, wobei im Rahmen der Gründung weder Verhandlungen über die Beteiligung von Arbeitnehmern noch die Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums erfolgten. An der Gründung der Beteiligten zu 2. waren die bis heute arbeitnehmerlose .... Ltd.) mit Sitz in L. und die ebenso bis heute arbeitnehmerlose .... GmbH mit Sitz in H. beteiligt. Die .... SE wurde Anfang 2013 mit Sitz in H. als ebenfalls arbeitnehmerlose Vorratsgesellschaft gegründet, wobei auch bei dieser Gründung weder Verhandlungen über die Beteiligung von Arbeitnehmern noch die Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums erfolgten.
Nach dem Gesellschaftsvertrag der KG (Bl. 58 ff. der Akte), auf den Bezug genommen wird, führt die Komplementärin deren Geschäfte und vertritt die Gesellschaft nach außen, allerdings bedarf sie für eine Reihe von Entscheidungen eines vorherigen zustimmenden Gesellschafterbeschlusses, etwa für Maßnahmen, die einen wesentlichen Einfluss auf den Konzernabschluss haben können.
Am 4. Oktober 2017 verlegte die Beteiligte zu 2. aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung vom 17. Juli 2017 ihren Sitz von L. nach H., gleichzeitig wechselte sie von einer monistischen Verwaltungsrats- in die dualistische Vorstands-/Aufsichtsratsverfassung mit einem einzigen Vorstandsmitglied.
Der Beteiligte zu 1. hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch gegen die Leitung der Beteiligten zu 2., durch eine entsprechende Aufforderung an ihn das Verfahren zur Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums nach dem SEBG in Gang zu setzen. Der Beteiligten zu 2. komme nach dem Gesellschaftsvertrag der KG eine beherrschende Stellung gegenüber den nachgeordneten Konzernunternehmen zu. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der nachgeordneten Konzernunternehmen seien ihr daher im Sinne des § 2 Abs. 3 SEBG zuzurechnen. Aus diesem Grund seien bei der Beteiligten zu 2. (und nicht bei der .... SE Verhandlungen über eine Beteiligungsvereinbarung in entsprechender Anwendung des § 4 SEBG zu führen. Letztlich sei die Eintragung der Beteiligte...