Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdachtskündigung. Abmahnung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an eine Verdachtskündigung, insbesondere Schwere der strafbaren Handlung bzw. des Vertragsverstoßes, deren der Arbeitnehmer verdächtigt wird und Bedeutung der Geringwertigkeit bei Diebstahls- und Vermögensdelikten.
Erfordernis der Abmahnung auch bei Störungen im Vertrauensbereich.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 26.03.1997; Aktenzeichen 13 Ca 521/96) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. März 1997 – 13 Ca 521/96 – abgeändert:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die mit Schreiben vom 22. Oktober 1996 erklärte fristlose Kündigung der Beklagten aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Treff-Steward weiterzubeschäftigen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien um die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten unter dem 22. Oktober 1996 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Der am 9. März 1949 geborene Kläger ist seit dem 15. Juni 1979 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen zuletzt als Treffsteward mit einer durchschnittlichen monatlichen Vergütung von DM 4.500,00 brutto beschäftigt. Auf den letzten Arbeitsvertrag des Klägers vom 16. April 1992 (Anlage B 1, Bl. 12 f. d.A.) wird verwiesen. Der Kläger ist nach dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag nur noch aus wichtigem Grund kündbar.
Die Beklagte hatte bereits unter dem 14. April 1994 fristlos und hilfsweise unter dem 18. Mai 1994 fristgemäß gekündigt. Die hiergegen in den Verfahren 13 Ca 189/94 des Arbeitsgerichts H., 4 Sa 76/94 des Landesarbeitsgerichts H. gerichtete Klage war in der Berufungsinstanz erfolgreich. Mit Schreiben vom 18. August 1992 war der Kläger wegen eines Verstoßes gegen die bei der Beklagten gültigen Bonierungs-, Inkasso- und Abrechnungsvorschriften ermahnt und mit Schreiben vom 2. April 1993 war ihm wegen eines Vorfalls am 13. März 1993 eine Abmahnung erteilt worden (vgl. Anlagen B 2 und 3, Bl. 17 und 18 f. d.A. 4 Sa 76/94). In der Personalakte des Klägers ist eine Abmahnung nicht mehr enthalten; nach einer im Betrieb der Beklagten gültigen Betriebsvereinbarung sind Abmahnungen ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen, wenn sich nicht gleichartige Vorfälle innerhalb von zwei Jahren wiederholen.
Im Rahmen eines nach der damals gültigen Gesamtbetriebsvereinbarung über die Durchführung von Kontrollen der Arbeitnehmer/innen vorgeschriebenen Verfahrens wurde die Niederlassung H., zu der der Kläger zählt, für Sonntag, den 13. Oktober 1996 für eine routinemäßige Stichprobenkontrolle ausgelost. Es wurde dann eine Taschenkontrolle durchgeführt, bei der unter anderem auch der Kläger kontrolliert wurde. Bei dem Kläger wurden folgende Gegenstände/Artikel gefunden (vgl. Protokoll über die Kontrolle vom 13.10.1996, Bl. 18 d.A.):
3 × Kaffeepott C.;
1 × Pflanzenöl, 1 Liter;
2 × Schinken (Knochenschinken), jeweils 100 g.
Die beim Kläger gefundenen Kaffeebecher und der Schinken stammen unstreitig aus dem Bestand der Beklagten. Die beim Kläger gefundene Dose Pflanzenöl wird nach Art und Größe im Bestand der Beklagten geführt. Der Gesamtwert der gefundenen Gegenstände beträgt nach Angaben der Beklagten DM 19,97.
Der Kläger wurde von der Beklagten nach Abschluß der Taschenkontrollen mit sofortiger Wirkung von seiner Tätigkeit suspendiert. Nach Durchführung der Kontrolle wurden mit ihm zwei Gespräche am 15. und 18. Oktober 1996 geführt – es wird insoweit auf die Gesprächsprotokolle vom 16. und 18. Oktober 1996 (Anlagen B 4 und B 5, Bl. 19 f. und 21 f. d.A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 1996 (Anlage B 2, Bl. 14 d.A.) wurde der bei der Niederlassung H. der Beklagten bestehende Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Verdachts des unredlichen Verhaltens, des Verdachts des Diebstahls bzw. der Unterschlagung angehört. Insoweit wird Bezug genommen auf das Anhörungsschreiben nebst den diesem beigefügten Unterlagen (Anlage B 2 a, Anlage B 3, Anlage B 4 und Anlage B 5, Bl. 15–22 d.A.). Der Betriebsrat gab innerhalb der maßgeblichen Frist eine Stellungnahme nicht ab.
Der Kläger hat mit der fristgerecht erhobenen Kündigungsschutzklage die Rechtmäßigkeit und ordnungsgemäße Durchführung der Taschenkontrolle sowie die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung gerügt. Er hat unter anderem vorgetragen, daß er den abgepackten Schinken zum Abendbrot mit nach Hause habe nehmen wollen, weil er unterwegs wegen des zu hohen Gästeaufkommens keine Zeit zum Essen gefunden habe. Zwar habe er sich insoweit nicht hundertprozentig an die gültige Dienstanweisung vom 28. September 1996 gehalten. – Insoweit ...