Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Begriffs "Sachbezug" im Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen. Klage eines Luftsicherheitsassistenten auf ungekürzte Gutschrift monatlicher Prämienleistungen auf der "Shopping-Card"
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tarifvertragsparteien haben in § 23 Abs. 2 Satz 1 MTV Sicherheit einen Rechtsbegriff - den Begriff des Sachbezugs - verwendet, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat. Deshalb ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen - einkommenssteuerrechtlichen - Bedeutung auszulegen, denn in § 23 Abs. 2 MTV Sicherheit ist eine anderweitige Bedeutung nicht vereinbart worden.
2. Hat der Arbeitnehmer auch einen Anspruch darauf, dass sein Arbeitgeber ihm anstelle der Sache den Barlohn in Höhe des Werts der Sachbezüge ausbezahlt, liegen auch dann keine Sachbezüge, sondern Lohn vor, wenn der Arbeitgeber die Sache zuwendet.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; EStG § 8 Abs. 1, 2 Sätze 1, 11; BGB § 611 Abs. 1; MTV-Sicherheit § 23 Abs. 1, 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 29.07.2015; Aktenzeichen 27 Ca 546/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29. Juli 2015 - 27 Ca 546/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Gutschrift auf seiner sogenannten Shopping-Card.
Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, die gewerbliche Sicherheitsaufgaben an deutschen Flughäfen wahrnimmt, seit dem 14. Mai 2003 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages als Luftsicherheitsassistent beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 13. Mai 2003 (Bl. 31 ff. d.A.) heißt es auszugsweise:
§ 4 Vergütung
I. Der Arbeitnehmer erhält für seine vertragliche Tätigkeit einen Lohn von € 7,16 brutto pro geleistete Arbeitsstunde.
II. (...)
III. Die Firma zahlt dem Arbeitnehmer nach Abgabe eines amtlichen Nachweises, (Fahrausweis, Bescheinigung) eine Fahrtkostenpauschale bis € 51,20 monatlich.
Wegen der weiteren vertraglichen Vereinbarungen wird auf den vorgenannten Arbeitsvertrag vom 13. Mai 2003 Bezug genommen.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen (im Folgenden: MTV Sicherheit) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Mit Wirkung vom 01. Januar 2014 trat ein neuer MTV Sicherheit in Kraft. Darin heißt es auszugsweise:
§ 23 PRÄMIENLEISTUNGEN GEWERBLICHE BESCHÄFTIGTE
(1) Die gewerblich Beschäftigten erhalten eine Prämienleistung im Wert von € 2,20 je Anwesenheitstag/Urlaubstag, maximal im Wert von € 44,00 je Monat. Die Leistung erfolgt jeweils im Folgemonat durch Wertstellung auf einer Shopping-Card oder einer gleichwertigen Warenwertkarte/Tankkarte. Eine Auszahlung in bar ist ausgeschlossen.
(2) Erhält der/die gewerbliche Beschäftigte bereits ein Job-Ticket, Fahrgeld oder andere Sachbezüge so wird der Betrag der Prämienleistung monatlich um diesen Betrag gekürzt, um die Steuerfreiheit von € 44,00 je Monat zu erhalten. Dabei werden je Anwesenheitstag/Urlaubstage zunächst € 2,20 für das Job-Ticket gutgeschrieben. Ist der Wert des Job-Tickets durch Anwesenheitstage/Urlaubstage erreicht, erfolgt je weiterem Anwesenheitstag/Urlaubstag die Gutschreibung auf eine Shopping-Card oder eine gleichwertige Warenwertkarte. Besteht der Anspruch auf ein Job-Ticket, wird dieses auch dann gewährt, wenn der Wert durch Anwesenheitstage/Urlaubstage nicht erreicht wird.
(3) Die Umsetzung erfolgt auf Basis betrieblicher Regelungen bzw. durch Betriebsvereinbarung.
In den Monaten Juni, Juli und August 2014 zahlte die Beklagte dem Kläger ein "Fahrgeld" in Höhe von jeweils € 45,00 brutto und führte auch für diese Zahlung Lohnsteuer ab. Einen Nachweis, dass dem Kläger Fahrtkosten in der vorgenannten Höhe entstanden sind, verlangte die Beklagte - anders als vor der Änderung des § 8 EStG - nicht.
Mit seiner bei Gericht am 26. November 2014 eingegangenen und der Beklagten am 16. Dezember 2014 zugestellten Klage hat der Kläger eine Gutschrift auf seiner Shopping-Card begehrt. Er hat vorgetragen, bei dem von der Beklagten gezahlten Fahrtgeld handele es sich nicht um einen Sachbezug im Sinne des § 23 Abs. 2 MTV Sicherheit, weshalb auch keine Verrechnung mit dem Anspruch nach § 23 Abs. 1 MTV Sicherheit erfolgen könne. Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelung sei es, die Kleinbetragsregelung in § 8 Abs. 2 S. 11 EStG zu nutzen, damit Bagatellvorteile aus Sachbezügen nicht der Lohnsteuer unterworfen würden. Das von der Beklagten gezahlte - und versteuerte - Fahrgeld sei kein vergleichbarer steuerfreier Sachbezug.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, € 132,00 netto der Shoppingcard des Klägers gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert, sie könne den Fahrtkostenzuschuss in Höhe von monatlich € 45,00 brutto mit dem Prämienanspruch aus § 23 Abs. 1 MTV Sicherheit auf Gutschrift von € 44,00 auf der Shopping Card ve...