Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von Sachbezügen und Entgelt. Unberechtigte Kürzung einer tariflichen Prämienzahlung in Höhe der vertraglich geregelten Fahrtkostenpauschale im Sicherheitsgewerbe an Verkehrsflughäfen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 23 Abs. 2 MTV Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen ist die Arbeitgeberin berechtigt, die Prämienleistung zu kürzen, soweit die Arbeitnehmerin ein Job-Ticket, Fahrgeld oder andere Sachbezüge erhält, “um die Steuerfreiheit von 44,00 Euro je Monat zu erhalten„. Diese Kürzungsbestimmung stellt eine tarifliche Anrechnungsklausel dar.

2. § 23 Abs. 2 Satz 1 MTV ist so formuliert, das sich der dort benannte Zweck der Regelung (“um die Steuerfreiheit von 44,00 Euro je Monat zu erhalten„) auf alle zuvor genannten (Sach-)Bezüge bezieht und damit sowohl auf ein gewährtes Job-Ticket als auch auf Fahrgeld oder andere Sachbezüge. § 23 Abs. 2 Satz 1 MTV stellt damit das Fahrgeld einem Job-Ticket oder anderen Sachbezügen gleich und erläutert zugleich den Sinn und Zweck der tariflichen Kürzungsregelung.

3. Eine vertraglich geregelte Fahrtkostenpauschale regelt keinen Sachbezug sondern Entgelt. Mit der Fahrtkostenpauschale wendet die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin einen Geldlohn zu, den sie nicht mit der Auflage verbunden hat, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden, insbesondere wenn die Arbeitgeberin keinen Nachweis über die Fahrtkosten verlangt und außerdem die Zahlungen der Lohnsteuer unterworfen hat.

4. Überlässt die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin unmittelbar einen Geldbetrag, ist dies nur dann eine Sachlohnzuwendung im Wege der abgekürzten Leistungserbringung, wenn die Arbeitnehmerin von der Arbeitgeberin lediglich die Übernahme der Kosten für einen Sachbezug oder dessen Bezuschussung beanspruchen kann und damit der arbeitsrechtliche Anspruch nicht auf eine reine Geldleistung gerichtet ist.

 

Normenkette

MTV Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen § 23 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 18.08.2015; Aktenzeichen 14 Ca 248/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18. August 2015 (14 Ca 248/14) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen der Berufung nur noch über eine Prämienleistung (Wertstellungen auf einer Shoppingcard).

Die Beklagte übernimmt gewerbliche Sicherheitsaufgaben an deutschen Flughäfen. Die am 1972 geborene Klägerin trat auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit Wirkung vom 17. Juli 2003 als Luftsicherheitsassistentin in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 16. Juli 2013 (Anlage 1 - Bl. 5-12 d.A.) heißt es auszugsweise:

§ 4 Vergütung

(...)

III. Die Firma zahlt dem Arbeitnehmer eine Fahrtkostenpauschale in Höhe von € 30,-- monatlich.

(...)

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Mit Wirkung vom 01. Januar 2014 trat ein neuer Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen in Kraft (im Folgenden: MTV, Bl. 50 - 61 d.A.). Dort ist u.a. geregelt:

§ 23 PRÄMIENLEISTUNGEN GEWERBLICHE BESCHÄFTIGTE

(1) Die gewerblich Beschäftigten erhalten eine Prämienleistung im Wert von € 2,20 je Anwesenheitstag/Urlaubstag, maximal im Wert von 44,00 je Monat. Die Leistung erfolgt jeweils im Folgemonat durch Wertstellung auf einer Shopping-Card oder einer gleichwertigen Warenwertkarte/Tankkarte. Eine Auszahlung in bar ist ausgeschlossen.

(2) Erhält der/die gewerbliche Beschäftigte bereits ein Job-Ticket, Fahrgeld oder andere Sachbezüge so wird der Betrag der Prämienleistung monatlich um diesen Betrag gekürzt, um die Steuerfreiheit von € 44,00 je Monat zu erhalten. Dabei werden je Anwesenheitstag/Urlaubstage zunächst 2,20 € für das Job-Ticket gutgeschrieben. Ist der Wert des Job-Tickets durch Anwesenheitstage/Urlaubstage erreicht, erfolgt je weiterem Anwesenheitstag/Urlaubstag die Gutschreibung auf eine Shopping-Card oder eine gleichwertigen Warenwertkarte. Besteht der Anspruch auf ein Job-Ticket, wird dieses auch dann gewährt, wenn der Wert durch Anwesenheitstage/Urlaubstage nicht erreicht wird. (3) Die Umsetzung erfolgt auf Basis betrieblicher Regelungen bzw. durch Betriebsvereinbarung.

In den Monaten Mai bis Juli 2014 brachte die Beklagte monatlich 30,00 € netto auf den Shopping-Card-Anspruch der Klägerin in Abzug und im April 2014 einen Betrag in Höhe von 30,80 € netto, insgesamt in Höhe von 120,80 €. Insoweit verrechnete sie die Fahrtkostenpauschale mit der Prämienleistung.

Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin jetzt noch ihren Anspruch auf Gutschrift der verrechneten Fahrtkostenpauschale auf ihre Shopping-Card.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass ihr vertraglicher Fahrkostenerstattungsanspruch nicht mit dem Anspruch nach § 23 Abs. 1 MTV verrechnet werden könne. Die Anrechnungsregelung in § 23 Abs. 2 MTV verstoße zum einen gegen das...

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