Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichheitssatz. Gleichbehandlung von Teilzeitkräften. Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zu Verstößen gegen das spezielle Diskriminierungsverbot des Art. 119 EWG-Vertrag (BAG, Urteil vom 07. November 1995 – 3 AZR 1064/94 – EzA Art. 119 EWG-Vertrag Nr. 32) haben auch die im Rahmen einer tarifliche Regelung diskriminierten Teilzeitbeschäftigten grundsätzlich unmittelbar Anspruch auf die entsprechende Begünstigung. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck des Diskriminierungsverbots des § 2 Abs. 1 BeschFG. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine solche unmittelbare Beseitigung der Diskriminierung durch diskriminierungsfreie Angleichung der Rechtstellung der Teilzeitbeschäftigten an die der Vollzeitbeschäftigten zu einer Überforderung des Arbeitgebers führen würde.

2. Folgt man der Auffassung unter Ziffer 1 nicht, so können die Teilzeitbeschäftigten auf Grund des sich aus § 2 Abs. 1 BeschFG ergebenden Gleichbehandlungsgebotes jedenfalls dann unmittelbar die entsprechende Begünstigung beanspruchen, wenn ihr Arbeitgeber selbst Tarifvertragspartei des gegen § 2 Abs. 1 BeschFG verstoßenden Tarifvertrages ist und wenn nicht absehbar ist, dass er im Falle einer höchstrichterlichen Bestätigung der Unzulässigkeit tariflichen Regelung auch für die Vergangenheit eine andere diskriminierungsfreie Regelung anstreben und diese ggf. auch durchsetzen wird.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 18.08.1998; Aktenzeichen 23 Ca 83/98)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.05.2000; Aktenzeichen 10 AZR 629/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18. August 1998 – 23 Ca 83/98 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger DM 248,55 brutto nebst 4% Zinsen seit dem 27. Februar 1998 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe des tariflichen Weihnachtsgeldes für 1997. Dabei geht es konkret um die Frage, ob der teilzeitbeschäftigte Kläger die im anwendbaren Tarifvertrag einheitlich vorgesehene Kürzung des Weihnachtsgeldes um 1.000,00 DM hinnehmen muss oder ob die Tarifnorm gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. § 2 Abs. 1 BeschFG verstößt, weil die pauschale Kürzung bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern im Verhältnis zu vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern zu einer überproportionalen Kürzung des Weihnachtsgeldes führt, die sachlich nicht gerechtfertigt ist, mit der Folge, dass bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern lediglich eine anteilige Kürzung zulässig ist, die dem Verhältnis seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

Der Kläger war seit dem 15. Februar 1989 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der D. S. Gesellschaft … mbH (im Folgenden abgekürzt: DSG) beschäftigt, die zum 30. Juni 1994 mit der Beklagten verschmolzen wurde, sodass das Arbeitsverhältnis des Klägers auf diese übergegangen ist.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die von der Beklagten abgeschlossenen Firmentarifverträge auf Grund der Zugehörigkeit des Klägers zur Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Anwendung. Die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich und damit 173 Stunden im Monat. Die vertraglich, vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit des Klägers beträgt 130 Stunden im Monat. Der Kläger war im Jahre 1997 in die Tarifgruppe 5 eingruppiert, für die in diesem Jahr der tarifliche Stundenlohn 16,71 DM betrug.

Seit dem 01. Juli 1997 ist der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden der M. AG (MTV-M.) vom 27. Juni 1997 in Kraft. Er sieht für alle neu eingestellten Arbeitnehmer einheitlich eine Jahressonderzuwendung im 8. Beschäftigungsjahr von 900,00 DM, für Teilzeitbeschäftigte den anteiligen Betrag. Für den Kläger gilt jedoch aus Gründen der Besitzstandswahrung der „Tarifvertrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Besitzstandswahrung – Zusatzabkommen für die Arbeitnehmer/innen der M. AG-W. in der Fassung vom 27. Juni 1997 (im Folgenden: TV-Sicherung), dessen § 3 Nr. 5 bestimmt:

Das Weihnachtsgeld wird für die in § 1 Abs. 3 Ziff. 1 genannten Arbeitnehmer/innen nach den Regeln des früheren DSG-ETV vom 23.04.1993 weiter gewährt. Dabei erfolgt eine Kürzung von 1.000,00 DM bis zu einem Weihnachtsgeld von 5.000,00 DM. Der Höchstbetrag beträgt 5.000,00 DM. …

Es wird jedoch mindestens ein Weihnachtsgeld in Höhe der zum Zeitpunkt der Auszahlung geltenden Bestimmungen des MTV-M. gewährt.”

Der zitierte § 1 Abs. 3 Ziff. 1 TV-Sicherung erfasst alle Arbeitnehmer, die „sich am 30. Juni 1994 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der mit der M. verschmolzenen DSG” befanden, sodass der Kläger der Regelung in § 3 Nr. 5 TV-Sicherung unterfiel.

Nach Abschn. II. 3. des DSG-ETV hätte ein in die Vergütungsgruppe des Kl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge