Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsbestimmung durch Abschlagszahlung auf freiwillige Weihnachtsgratifikation
Leitsatz (amtlich)
Behält sich der Arbeitgeber vor, die Höhe einer Sonderzahlung jährlich neu festzulegen, und erfolgt die Auszahlung üblicherweise in zwei gleichen Raten, kann bereits die kommentarlose Auszahlung der ersten Rate die für dieses Jahr verbindliche Festlegung der Höhe der Sonderzahlung beinhalten.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 30.06.2015; Aktenzeichen 9 Ca 600/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30.06.2015 (9 Ca 600/14) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 784,-- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2014.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.07.1999 im Rahmen eines Arbeitsvertrages als Datenerfasserin tätig. Die Beklagte zahlt ihr Arbeitsvergütung in Höhe von € 1.568,70 brutto monatlich. In § 3 des Arbeitsvertrages (Anlage K 1, Bl. 6f d. A.) heißt es unter der Überschrift "Entgelt" unter anderem:
"Zusätzlich zum Grundgehalt wird nach Ablauf der Probezeit - als freiwillige Leistung eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein halbes Monatsgehalt nicht übersteigt. Sofern das Arbeitsverhältnis vor dem 01. April eines Jahres begonnen hat, soll auf die vorstehende Gratifikation im Juni dieses Jahres ein Vorschuß in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt werden. Sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30. November eines Jahres weniger als 11 Monate liegen, beträgt die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses.
Endet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres, ist das Unternehmen berechtigt, die geleistete Gratifikation von der letzten Gehaltszahlung ... einzubehalten ..."
Der Klägerin wurde bis einschließlich 2013 jedes Jahr ein volles Bruttomonatsgehalt hälftig mit der Abrechnung im Mai und hälftig mit der Abrechnung im November ausgezahlt. Im Mai 2014 erhielt die Klägerin einen Betrag von € 784,00 brutto, welcher in der Gehaltsabrechnung (Anl. K 3, Bl. 14 d.A.) als "Abschl. J-Gratifikation" bezeichnet wurde. Mit Schreiben von Oktober 2014 (Anl. K 2, Bl. 12 d.A.) informierte die Beklagte u.a. die Klägerin darüber, dass aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage die Zahlung des zweiten Teils der Jahresgratifikation mit der Novemberabrechnung 2014 nicht erfolgen könne.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass ihr für 2014 ein volles Gehalt als Weihnachtsgratifikation zustehe, sodass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihr im November 2014 die zweite Hälfte des Gehalts zu zahlen. Der Freiwilligkeitsvorbehalt des Arbeitsvertrages sei intransparent. Die Beklagte müsse die für sie ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Durch die Abrechnung eines halben Monatsgehalts als Abschlag im Mai habe die Beklagte bekannt gegeben, dass die Gratifikation im Jahr 2014 insgesamt ein volles Monatsgehalt betragen werde. An diese Erklärung sei die Beklagte gebunden. Der Anspruch bestehe auch unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie € 784,- brutto zuzüglich Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Freiwilligkeitsvorbehalt sei zwar nicht wirksam. Demzufolge sei sie verpflichtet, eine Weihnachtsgratifikation zu zahlen. § 3 enthalte jedoch - rechtlich wirksam - ein Leistungsbestimmungsrecht. Dieses müsse nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Genau das habe sie getan. Sie habe entschieden, für das Jahr 2014 die Weihnachtsgratifikation auf 50 % eines vollen Monatsgehalts festzusetzen. Ihr Geschäftsergebnis sei seit Jahren rückläufig, 2014 habe erstmals ein Abrutschen in die Verlustzone gedroht.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 55 - 58 d.A.) wird Bezug genommen.
Gegen das am 30.06.2015 verkündete und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.07.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31.07.2015 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 22.10.2015 am 16.10.2015 begründet.
Die Klägerin vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen: § 3 des Arbeitsvertrags sei so auszulegen, dass eine Weihnachtsgratifikation mindestens in Höhe eines vollen Monatsgehaltes von der Beklagten zu zahlen sei. Indem die Beklagte im Mai 2014 einen Abschlag gezahlt habe, habe sie eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine weitere Zahlung folgen werde.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung ...