Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei der Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung und Missachtung der Verteilungsgrundsätze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist in einer Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, dass der Vorstand von einer in der Vereinbarung vorgesehenen Erhöhung der Betriebsrente entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Altersrente absehen kann, wenn er diese nicht für vertretbar hält, bedarf dieses auf das Unternehmen bezogener wirtschaftlicher, in der Regel finanzieller Gründe.

2. Ist in der Gesamtbetriebsvereinbarung die Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge geregelt, so verstößt die Entscheidung der Arbeitgeberin, nur einen Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge zu erhöhen, gegen die Verteilungsgrundsätze der Gesamtbetriebsvereinbarung und ist damit unwirksam. Gleichzeitig verstößt die Arbeitgeberin gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da sich das Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Verteilungsgrundsätze auch auf ausgeschiedene Mitarbeiter erstreckt.

 

Normenkette

BetrVG §§ 77, 87 Abs. 1 Nr. 10; BGB §§ 133, 157; BetrAVG § 16; BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1; BGB §§ 315, 611a; ZPO § 258

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 17.05.2017; Aktenzeichen 13 Ca 130/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Mai 2017 - 13 Ca 130/16 - wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Mai 2017 - 13 Ca 130/16 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin beginnend mit dem 01. Juli 2017 über den Betrag von 1.246,18 € hinaus jeweils zum ersten eines Monats einen Betrag in Höhe von 69,23 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.073,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtskraft der Entscheidung zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung der Betriebsrente der Klägerin zum 01. Juli 2015, 01. Juli 2016 und 01. Juli 2017.

Die Klägerin war vom 01. Januar 1970 bis zum 30. September 2010 bei der B. D. L. AG beschäftigt. Seit dem 01. Oktober 2010 bezieht sie eine Betriebsrente, die jeweils zum Monatsersten für den laufenden Monat gezahlt wird. Die Beklagte ist als Rechtsnachfolgerin der B. D. L. AG die Versorgungsschuldnerin.

Die Betriebsrente ergibt sich aus den Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes in der Fassung vom 19. April 2002 (im Folgenden: BVW) und den dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen (im Folgenden: Ausführungsbestimmungen). Hierbei handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung.

Die Grundbestimmungen des BVW enthalten unter anderem folgende Regelungen (Anlage K 1, BI. 16 bis 27 d.A. I Anlage B 2, BI. 122 bis 145 d.A.):

"§ 1 Zweck des Pensionsergänzungsfonds

Der Zweck des Pensionsergänzungsfonds ist, den anspruchsberechtigten Betriebsangehörigen bzw. ihren versorgungsberechtigten Hinterbliebenen eine Pensionsergänzung zu gewähren, sofern und solange die in den Ausführungsbestimmungen näher bezeichneten Leistungen der Sozialversicherung sowie anderer gesetzlicher Versorgungen und die Leistungen der Versorgungskasse zusammen die Gesamtversorgungsbezüge gemäß § 4 der Ausführungsbestimmungen nicht erreichen.

(...)

§ 2 Berechtigter Personenkreis

(...)

1. Auf die Leistungen des Pensionsergänzungsfonds besteht ein Rechtsanspruch, der nur durch die in den Ausführungsbestimmungen enthaltenen Widerrufsvorbehalte eingeschränkt ist."

Die Ausführungsbestimmungen enthalten unter anderen folgenden Regelungen:

"§ 5 Zusammensetzung der Gesamtversorgungsbezüge

Erreichen die nachstehenden Leistungen zusammen in der Höhe nicht die erworbenen Gesamtversorgungsansprüche, wird eine Pensionsergänzungszahlung fällig.

1. Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge sind:

1.1. Die Rentenleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Hat der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Renten individuell zu kürzen, so gilt die ungekürzte Rente als Bestandteil der Gesamtversorgung (z.B. familienrechtlicher Versorgungsausgleich).

(...)

1.6. Rentenleistungen aus der Versorgungskasse und die ihnen gleichgestellten sonstigen betrieblichen Versorgungsleistungen.

(...)

§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse

1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.

(Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert w...

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