Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Änderungsschutzklage bei "überflüssiger" Änderungskündigung. Keine nachträgliche Änderung von Arbeitsbedingungen nach rechtskräftiger Durchsetzung eines Teilzeitverlangens. Prüfungsanforderungen an die vom Arbeitgeber gewünschten Änderungen der Arbeitsbedingungen. Unterschiedliche Anforderungen an "betriebliche Gründe" i.S.d. § 8 Abs. 4 TzBfG und § 2 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 KSchG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Änderungsschutzklage ist unbegründet, wenn die Änderungskündigung "überflüssig" ist. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die sich schon durch die Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen lassen, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine "Änderung der Arbeitsbedingungen" im Sinne von § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG (vgl. BAG, Urteil vom 05. Juni 2014 - 2 AZR 615/13 -, Rn. 12, juris). Die Dauer und Lage der Arbeitszeit, die eine Arbeitnehmerin durch ein erfolgreiches Teilzeitverlangen - teilschichtige sechsstündige Tätigkeit mit Beginn zur Frühschicht an bestimmten Tagen ohne Wochenenden - rechtskräftig durchgesetzt hat, kann der Arbeitgeber durch die Ausübung seines Weisungsrechts nicht mehr einseitig ändern.
2. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 KSchG, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss, was nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln ist. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (vgl. BAG, Urteil vom 18. Mai 2017 - 2 AZR 606/16 -, Rn. 11, juris). Schon eine überflüssige Änderung macht das gesamte Änderungsangebot unwirksam; hier: Erbringung von Arbeitsleistungen als Großgerätefahrerin im Hamburger Hafen auch an Wochenenden.
Leitsatz (redaktionell)
Der Maßstab für die vom Arbeitnehmer billigerweise hinzunehmenden Änderungen der Arbeitsbedingungen richtet sich im Ausgangspunkt nicht nach dem Vorliegen lediglich "betrieblicher Gründe" des Arbeitgebers hierfür (§ 8 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 TzBfG), wozu grundsätzlich auch ein bestimmtes Arbeitskonzept gehören kann, sondern es sind "dringende betriebliche Erfordernisse" zu verlangen (§ 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).
Normenkette
GewO § 106 S. 1; KSchG § 2 S. 1, § 4 S. 2, § 1 Abs. 2 S. 1; TzBfG § 8 Abs. 4 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 02.07.2020; Aktenzeichen 15 Ca 3/20) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02. Juli 2020 - 15 Ca 3/20 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen durch eine Änderungskündigung der Beklagten.
Die am XX.XX.1980 geborene und gegenüber einem minderjährigen Sohn unterhaltspflichtige Klägerin ist gelernte Kfz-Mechanikerin und seit dem 01. Januar 2006 als "Großgerätefahrerin (Containerbrücke/Van Carrier) sowie zur Erledigung aller sonstigen im Hafen anfallenden Arbeiten" in Regelarbeitszeit bei der Beklagten beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 2005, Anlage K 1 - Bl. 9 d.A.). Seit dem 16. Oktober 2018 gehört die Klägerin zur Gruppe der gleichgestellten behinderten Menschen (Anlage B 22 - Bl. 140 [141] d.A.). Sie ist betriebsärztlich von der Verpflichtung zur Nachtarbeit befristet befreit.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die einschlägigen Tarifverträge in den jeweils aktuellen Fassungen Anwendung, insbesondere der "Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe", der "Lohntarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe", die "Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen", der "Eingruppierungstarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Mai 2000 begründet wird", der "Tarifvertrag zwischen der E. C. T. Hamburg GmbH und der Gewerkschaft ÖTV über verpflichtende Sonntagsarbeit, überlappende Schichtzeiten, etc." und der "Tarifvertrag zur Einführung von Lebensarbeitszeitkonten" (Nr. 3 Arbeitsvertrag, Anlage K 1 - Bl. 9 d.A.).
Bei der Beklagten werden Schiffe auf Containerterminals rund um die Uhr abgefertigt. Aufgrund der Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen zum Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der Deutschen Seehafenbetriebe (Anlage B 8 - Bl. 72 d.A.), des Haustarifvertrags (Anlage B 7 - Bl. 69 d.A.) und der Betriebsvereinbarung Teamarbeit (Anlage B 9 - Bl. 75 d.A.) wird in Teams wochentags rollierend in drei sich überlappenden Schichten (06:30 Uhr bis 15:00 Uhr, 14:30 Uhr bis 23:00 Uhr, 22:30 Uhr bis 07:00 Uhr) gearbeitet, am Wochenende und an Feiertagen in vier Schichten. Es besteht die Verpflic...