Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 27.10.1997; Aktenzeichen 21 Ca 334/97) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 1997 21 Ca 334/97 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten vom 27. Juni 1997.
Die Klägerin war seit 1978 bei der Fa. … (im folgenden: Gemeinschuldnerin) als Verkäuferin tätig und erzielte zuletzt ein durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 3.300,– DM. Sie war Mitglied des Betriebsrates.
Die Gemeinschuldnerin beschäftigte mehr als 10 Arbeitnehmer.
Am 07. März 1997 beantragte die Gemeinschuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung die Eröffnung des Vergleichsverfahrens. Dem Antrag wurde stattgegeben und der Beklagte zum vorläufigen Vergleichsverwalter bestellt. Nach Scheitern der Vergleichsbemühungen wurde durch Beschluß vom 01. Mai 1997 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt.
Unter dem Datum vom 16. Mai 1997 vereinbarten der Beklagte und der bei der Gemeinschuldnerin bestehende Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 18 ff d.A.). In Ziff. 1 des Interessenausgleichs heißt es, daß im Rahmen des Vergleichsverfahrens und des anschließenden Konkursverfahrens die zur Zeit noch vorhandenen Filialen der Gemeinschuldnerin mit sofortiger Freistellung des gesamten Personals geschlossen oder aber bis auf weiteres offen gehalten werden sollen. Um welche Filialen es sich jeweils handelte, wurde in den Anlagen 1 und 2 zum Interessenausgleich/Sozialplan geregelt. Die Filiale in der … in der die Klägerin beschäftigt war, wurde in der Anlage 2 als noch offene Filiale aufgeführt. In Ziff. 4 des Interessenausgleichs ist bestimmt, daß Betriebsräte frühestens zu dem Zeitpunkt gekündigt werden können, zu dem der jeweilige Betrieb stillgelegt wird.
Am 27. Mai 1997 entschloß sich der Beklagte, die Filiale … zum 30. Juni 1997 zu schließen, nachdem die Vermieterin der Betriebsräume Mitte Mai 1997 den Mietvertrag fristlos gekündigt und den Beklagten zur Räumung des Objektes bis spätestens Ende Mai 1997 augefordert hatte, er aber eine Räumungsfrist bis 30. Juni 1997 vereinbaren konnte.
In der Berufungsinstanz ist unstreitig geworden, daß der Beklagte mit Schreiben vom 12. Juni 1997 (Bl. 91 f d.A.) an den Betriebsrat der Filiale … mitgeteilt hat, daß die Filiale … zum 30. Juni 1997 geschlossen wird und das Anhörungsverfahren zur Kündigung der Betriebsratsmitglieder eingeleitet hat Dieses Schreiben ist dem Betriebsrat auch zugegangen.
Mit Schreiben vom 27. Juni 1997, der Klägerin zugegangen am 28. Juni 1997, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 30. September 1997.
Wegen des streitigen Vertrags der Parteien in erster Instanz und der vor dem Arbeitsgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 27. Oktober 1997 festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 28. Juni 1997 zum 30. September 1997 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 78 ff d.A.).
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er ist der Auffassung, daß aufgrund des in der Berufungsinstanz unstreitig gewordenen Vertrags nunmehr feststehe, daß die Anhörung des Betriebsrates ordnungsgemäß gewesen sei
Die Kündigung sei auch wegen der Betriebsstillegung sozial gerechtfertigt.
Er habe innerhalb der Frist des § 113 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) gekündigt. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestünde nicht.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 1997 – 21 Ca 334/97 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 1997 zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß gewesen. Es werde nicht deutlich, aus welchen Gründen die Filiale … zu diesem Zeitpunkt habe geschlossen werden müssen und auch nicht, welche Frist der Kündigung zugrunde gelegt werden sollte.
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, der Beklagte habe die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Nach dem Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel in seiner gültigen Fassung ab dem 18. Juni 1993 betrage die Kündigungsfrist nach einer Beschäftigungsdauer von mindestens 12 Jahre sechs Monate zum Schluß des Kalendervierteljahres. Auf § 113 Abs. 1 InsO könne sich der Beklagte nicht berufen, da diese Regelung wegen eines unzulässigen Eingriffs in die Tarifautonomie verfassungswidrig sei.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründ...