Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersdiskriminierung. Entschädigung wegen Diskriminierung
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Merkmal „junges Team” in einer Stellenanzeige stellt einen Verstoß gegen § 7, § 11 AGG dar und kann wegen Altersdiskriminierung einen Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG auslösen.
2. Die Bezeichnung eines Klägers als „AGG-Hopper” seitens der Beklagten in einem Verfahren nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz kann in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgen. Sie löst keinen Entschädigungsanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung aus.
3. Die Beschaffung von Informationen über einen Prozessgegner bei einer Datenbank stellt keine entschädigungspflichtige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, § 7 Abs. 1, §§ 1, 22; BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 1; DBSG § 29 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 11.12.2009; Aktenzeichen 10 Ca 154/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Dezember 2009 – 10 Ca 154/09 – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 5.000,00 (i.W.: Euro fünftausend) nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2009 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 85/100, die Beklagte 15/100.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schmerzensgeld/Entschädigung von der Beklagten wegen behaupteter Altersdiskriminierung/Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Der 1955 geborene Kläger ist gelernter Versicherungskaufmann. Zuletzt war der Kläger in der Versicherungswirtschaft als Leiter der Filialdirektion in F. bei der C. AG tätig. Seit dem 1. Juli 2007 ist der Kläger arbeitsuchend. In dieser Zeit schrieb er etwa 850 Bewerbungen. Seither betrieb der Kläger 11 Verfahren aufgrund verschiedenster Diskriminierungen nach dem AGG.
Die Beklagte betreibt ein Zeitarbeitsunternehmen. Der Kläger bewarb sich bereits schon einmal bei der Beklagten. Im Rahmen dieses Bewerbungsverfahrens wurde der Kläger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Dieses Gespräch führte nicht zur Einstellung des Klägers.
In einer Anzeige vom 23. August 2008 in der S.Zeitung suchte die Beklagte im August 2008 einen Personal-/ Vertriebsdisponenten für den Standort S.. In der Anzeige heißt es (Anl. K 1, Bl. 26 d.A.):
„Ihre Aufgaben:
- Neukundenakquise und Ausbau des Potentials bei bestehenden Kunden
- Recruiting, Betreuung und Disposition von Mitarbeitern
- Koordination und Betreuung der Einsätze von Mitarbeitern in Kundenbetrieben
- Anwendung des Tarifvertrages und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
Sie bringen mit:
- kaufmännische Ausbildung, gerne auch Studium
- Berufserfahrung in einer Dienstleistungsbranche, idealerweise in der Zeitarbeit
- Kommunikationsstärke, Spaß an der Arbeit und im Umgang mit Menschen
- Eigeninitiative, Selbständigkeit, Sozialkompetenz und Stressresistenz
Wir bieten Ihnen:
- Eigenverantwortlich und selbständig zu bearbeitendes Aufgabengebiet
- Dienstwagen, auch zur privaten Nutzung
- Erfolgsorientierte Zusatzleistungen bei einem überdurchschnittlichen Grundgehalt
- Die Möglichkeit eigene Ideen und Vorstellungen in ein junges, erfolgreiches Team einzubringen.”
Mit Schreiben vom 1. September 2008 bewarb sich der Kläger auf diese Stelle. Der Kläger besaß nach seinem Lebenslauf (Anl. B 2, Bl. 83 d.A.) weder Kenntnisse im rechtlichen Bereich der Zeitarbeit noch hat er irgendeine Erfahrung in der Vermittlung von Leiharbeitnehmern in Entleihbetrieben.
Bereits mit Schreiben vom 2. September 2008 (Anl. K 2, Bl. 27 d.A.) lehnte die Beklagte die Bewerbung ab. Als Grund gab die Beklagte an, dass sie sich bereits für einen anderen Mitbewerber entschieden habe.
Die Beklagte stellte schließlich eine (jüngere) Bewerberin ein, die bereits über ein Jahr als Disponentin in der Zeitarbeit tätig war und bei der dortigen Tätigkeit 50 kaufmännische Kräfte führte, vermittelte und disponierte.
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 28. Oktober 2008 (Anl. K 3, Bl. 28 d.A.) wurde die Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens EUR 30.000,– aufgefordert. Dieser Betrag entspricht dem vom Kläger geschätzten Jahreseinkommen der ausgeschriebenen Stelle. Die Beklagte kam dem Verlangen nicht nach.
Am 27. Januar 2009, der Beklagten am 2. Februar 2009 zugestellt, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Daraufhin stellte die Beklagte eine Anfrage über den Kläger in dem sog. AGG-Archiv, das von der Rechtsanwaltskanzlei G.L.geführt wurde. Mit dieser Anfrage reichte die Beklagte eine Kopie des Anspruchsschreibens des Klägers ein.
Arbeitgeber, die wegen Diskriminierungen nach dem AGG in Anspruch genommen werden, konnten den jeweiligen Anspruchsteller dem Archiv melden oder anfragen, ob der Anspruchsteller dort bereits registriert ist. Zum Nachweis des berechtigten Interesses an der Auskunft musste der Anfragende eine Kopie der Klagschrift oder des Forderungsschreibens des Anspruchsstellers...