Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1) Ist in einer Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, dass der Vorstand von einer in der Vereinbarung vorgesehenen Erhöhung der Betriebsrente entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Altersrente absehen kann, wenn er diese nicht für vertretbar hält, bedarf dieses auf das Unternehmen bezogener wirtschaftlicher und in der Regel finanzieller Gründe.
2) Ist in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, dass durch die betriebliche Altersversorgung erreicht werden soll, dass die Altersversorgung insgesamt einen bestimmten Anteil der ehemaligen Bezüge ausmacht, hält sich eine Entscheidung des Vorstandes, die dieses Prinzip nicht beachtet, nicht im Rahmen des nach § 315 BGB bestehenden Regelungsspielraumes.
Normenkette
BetrAVG § 16; BetrVG §§ 77, 77 Abs. 4 S. 1; BGB § 315; ZPO § 258
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 06.06.2017; Aktenzeichen 25 Ca 328/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. Juni 2017 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer höheren Betriebsrente.
Die Klägerin war in der Zeit vom 1. Oktober 1971 bis zum 31. Dezember 1997 bei einem Unternehmen beschäftigt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Seit dem 1 September 2003 bezieht die Klägerin Versorgungsbezüge, die jeweils zum Monatsersten für den laufenden Monat gezahlt werden.
Für die Versorgungsbezüge gelten die durch Betriebsvereinbarungen geregelten Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes in der Fassung vom 19. April 2002 einschließlich der Ausführungsbestimmungen. Die Beklagte leistet danach Gesamtversorgungsbezüge, deren Höhe unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus der sog. Pensionsergänzung (auf den Abrechnungen, in der Diktion der Parteien und hier im Weiteren als V2 Rente bezeichnet) sowie der sog. V1 Altersrente (im Weiteren: V1 Rente) ermittelt wird.
Zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge ist unter § 6 der Ausführungsbestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes (im Folgenden BVW) unter der Überschrift "Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse" Folgendes geregelt:
"1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).
2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte / des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1."
Neben dieser Anpassung prüft die Beklagte alle drei Jahre eine Anpassung nach § 16 BetrAVG.
Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 % erhöht. Im Zeitraum Juni 2014 bis Juni 2015 erhöhte sich der Verbraucherpreisindex (VPI) von 106,719 auf 107,0, also um 0,281%. Zum 01. Juli 2016 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,24512 % erhöht. Zum 1. Juli 2017 erhöhe die Beklagte die betriebliche Altersversorgung entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Renten um 1,90476 %.
Die Beklagte nahm im Jahr 2015 keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats - und gegen deren ausdrücklichen Wunsch - durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat den Beschluss, die Rentenanpassung nach BVW zum 1. Juli 2015 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Die dann vorgenommene Erhöhung erfolgte mit 0,5 % nur auf die V2 Rente, nicht aber auf die V1 Rente.
Auch im Jahr 2016 nahm die Beklagte keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats - und gegen deren ausdrücklichen Wunsch - durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat am 17. Mai 2016 den Beschluss, die Rentenanpassung nach dem BVW zum 1. Juli 2016 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Auch hier erfolgte die Erhöhung in diesem Umfang nur auf die V2 Rente.
Die Klägerin verlangt mit der Klage die Differenzbeträge, die sich ergeben, wenn ihre Gesamtversorgungsbezüge zum 1. Juli 2015 und 1. Juli 2016 um den gl...