Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Änderung der Ruhegeldbezüge. Normenklarheit. Rückwirkung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Tarifvertragsparteien können eine Tarifnorm sowohl zugunsten als auch zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer ändern. Für tarifliche Regelungen gilt aufgrund der grundsätzlich als paritätisch zu charakterisierenden Verhandlungssituation eine vermutete Richtigkeitsgewähr. Angesichts des grundrechtlichen Schutzes der Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG unterliegen die Gerichte bei der Kontrolle von Tarifverträgen einer dem Grundrecht entsprechenden Zurückhaltung. Die Gerichte haben Tarifverträge nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz oder anderes höherrangiges Recht verstoßen, nämlich zwingendes Gesetzesrecht, gegen die guten Sitten oder gegen tragende Grundsätze des Arbeitsrechts.

2. Es gelten für die Zulässigkeit rückwirkender Verschlechterungen von Tarifverträgen die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen.

 

Normenkette

TKT § 30; GG Art. 9 Abs. 3

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.07.2005; Aktenzeichen 3 AZR 518/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgericht vom 25. Juni 2003 – 24 Ca 67/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger monatliches Altersruhegeld und Weihnachtsgeld für die Jahre 2002 und 2003 zusteht.

Der 1941 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 01. Januar 1971 beschäftigt, dabei vom 01. Juli 1999 bis zum 31. März 2002 beurlaubt mit Versorgungsbezügen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden gemäß arbeitsvertraglicher Vereinbarung die zwischen der Beklagten und den Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge, u. a. der Manteltarifvertrag (TKT) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung (vgl. Arbeitsvertrag vom 10./17. November 1970, Anlage B 1, Bl. 43 der Akte).

Seit dem 01. April 2002 befindet sich der Kläger im Ruhestand und bezieht neben einer BfA-Rente und Leistungen der VBL Altersruhegeld von der Beklagten.

Die betriebliche Altersversorgung für Mitarbeiter, die vor dem 01. Mai 1977 in die Dienste der Beklagten getreten sind, ist in der Anl. 6 a zum TKT geregelt. Die hier einschlägigen Regelungen lauten wie folgt:

„Nr. 8

Zuschuss an Angestellte

Die Kasse gewährleistet dem Angestellten als Gesamtruhegeld je nach Dauer der Beschäftigungszeit einen nach Nr. 9 ermittelten Vomhundertsatz des nach Nr. 10 festgesetzten ruhegeldfähigen Gehalts. Auf das Gesamtruhegeld werden die in Nr. 11 angeführten Bezüge angerechnet; der verbleibende Differenzbetrag wird als Zuschuss von der Kasse gezahlt.

Nr. 9

Höhe des Gesamtruhegeldes

Das Gesamtruhegeld beträgt nach erfüllter Wartezeit (Nr. 6 Ziff. 4) 35 v. H. des ruhegeldfähigen Gehalts (Nr. 10). Es erhöht sich

vom 6. bis 10. Beschäftigungsjahr um je 3,0 v. H.,

vom 11. bis 20. Beschäftigungsjahr um je 1,5 v. H.,

vom 21. bis 25. Beschäftigungsjahr um je 1,0 v. H.

und für die folgenden Beschäftigungsjahre um je 0,5 v. H.

bis höchstens 75 v. H. des ruhegeldfähigen Gehalts.

Für die Berechnung der Beschäftigungsjahre sind die Zeiten nach Nr. 6 nach Jahren und Tagen zusammenzuzählen; ein Rest von mehr als 182 Tagen gilt als vollendetes Beschäftigungsjahr.

Nr. 10

Ruhegeldfähiges Gehalt

Das Gesamtruhegehalt wird vom Bruttogehalt (Anlage 2 TKT) und der Stellenzulage (§ 10 TKT) des Monats berechnet, in dem das Beschäftigungsverhältnis endet (ruhegeldfähiges Gehalt); wenn es für den Angestellten günstiger ist, wird jedoch der Durchschnittsverdienst der letzten 5 Jahre zu Grunde gelegt. …

Nr. 11

Anzurechnende Bezüge

1. Auf das Gesamtruhegehalt werden angerechnet

a) die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe …

c) die Rente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, und zwar auch dann in monatlichen Beträgen, wenn die Versicherungsrente der VBL in einer einmaligen Zahlung abgefunden wurde, …

3. Ändern sich die nach Ziff. 1 anzurechnenden Bezüge, wird der Zuschuss der Kasse (Nr. 8) neu festgesetzt.

Nr. 13

Weihnachtsgeld

1. Der Anspruchsberechtigte (Nr. 5) erhält nach einer Beschäftigungszeit (Nr. 6) von 10 Jahren in jedem Jahr ein Weihnachtsgeld in Höhe des am 15. November maßgeblichen Gesamtruhegeldes; es wird auch dann gezahlt, wenn wegen der nach Nr. 11 anzurechnenden Bezüge kein Zuschuss gezahlt wird.

Nr. 14

Anpassung des Gesamtruhegeldes

Ändern sich die Gehaltsbezüge der Angestellten, ändert sich das ruhegeldfähige Gehalt (Nr. 10 und Nr. 12 entsprechend.”

Gemäß der Abrechnung für September 2002 (vgl. Anl. K 4, Bl. 27 d.A.) errechnet die Beklagte für September 2002 das Gesamtruhegeld des Klägers gemäß Nr. 9 der Anlage 6 a zum TKT mit EUR 4.811,39 brutto und zahlte unter Abzug der BfA-Rente in Höhe von EUR 1.614,23 sowie der VBL-Bezüge in Höhe von EUR 183,04 den Differenzbetrag in Höhe von EUR 3.014,12 brutto als Zuschuss an den Kläger.

Im Oktober 2002 schlossen die Tarifvertragsparteien rückwirkend zum 01. Oktober 2002 den Änderungstarifv...

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