Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Rechtsmittelbelehrung zur Wahrung der Schriftform. Unzulässiger Einspruch gegen ein Versäumnisurteil bei verspäteter Einlegung
Leitsatz (amtlich)
Eine Rechtsmittelbelehrung nach § 59 S. 2 ArbGG ist ausreichend, wenn auf die Möglichkeit des Einspruchs hingewiesen und die Notwendigkeit der Schriftform mitgeteilt wurde. Auf die Möglichkeit des Einspruchs per elektronischen Rechtsverkehr ist ebenso nicht gesondert hinzuweisen wie auf die Möglichkeit eines Einspruchs per Fax unter Mitteilung der Faxnummer des Gerichts.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der elektronische Rechtsverkehr stellt keine eigenständige Form dar sondern “genügt„ der Schriftform (§ 46c Abs. 1 S. 1 ArbGG). Die Einreichung von Rechtsbehelfen mittels elektronischen Rechtsverkehrs ist daher von einem Hinweis auf die Schriftform umfasst.
2. Auch Telefax oder Computerfax wahren die Schriftform ebenso wie Telekopie, Telegramm oder Fotokopie eines handschriftlichen Einspruchs, wobei in diesen Fällen die Unterschrift des Originals erkennbar sein muss.
3. Die Einlegung von Rechtsbehelfen auf elektronischem Wege ist gesetzlich durch entsprechende Vorschriften lediglich zugelassen und neben der schriftlichen und mündlichen (zur Niederschrift) Form nicht als gleich gewichtige Form normiert.
4. Eine Rechtsmittelbelehrung, die alle Möglichkeiten der Einspruchseinlegung enthält, kann zur Unübersichtlichkeit führen oder auch - bei Hinweis auf den elektronischen Rechtsverkehr - etwa die Fehlvorstellung hervorrufen, dass eine Einlegung per einfacher E-Mail genügt.
Normenkette
ArbGG §§ 59, 59 S. 2, § 46c Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 11.04.2017; Aktenzeichen 21 Ca 288/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. April 2017 (21 Ca 288/16) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über variable Vergütungen des Klägers sowie über die Zulässigkeit eines Einspruchs der Beklagten gegen ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts.
Der Kläger ist bei der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin seit 2001 als übertariflicher Mitarbeiter beschäftigt. Seit dem Jahr 2014 herrscht Streit zwischen den Parteien über das Bestehen und den Umfang von Ansprüchen des Klägers auf Jahressonderzahlungen für die Jahre ab 2012. Für die Jahre 2012 und 2013 hat der Kläger eine rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg erstritten (7 Sa 53/15). Mit der am 7. Juli 2016 vor dem Arbeitsgericht Hamburg erhobenen Klage hat der Kläger Jahreszahlungen für die Jahre 2014 und 2015 geltend gemacht.
Die Klage wurde der Beklagten am 13. Juli 2016 zugestellt. Die Beklagte ist zur Güteverhandlung am 25. August 2016 ordnungsgemäß geladen worden. Zu diesem Termin ist der Kläger mit seiner Prozessbevollmächtigten erschienen, für die Beklagte dagegen niemand.
Der Kläger hat daraufhin den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt sowie,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Jahreszahlung für 2014 in Höhe von € 2.300,85 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juni 2015 zu zahlen, sowie eine Jahreszahlung für 2015 in Höhe von € 2.300,85 brutto abzgl. bereits gezahlter € 460,17 zzgl. Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz auf € 1.840,68 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat am 25. August 2016 ein den klägerischen Anträgen voll stattgebendes Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen, das dieser am 7. September 2016 an die Niederlassung der Beklagten in Hamburg zugestellt worden ist.
Das Versäumnisurteil enthielt die folgende Rechtsbehelfsbelehrung:
"Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Einspruch einlegen.
Der Einspruch muss schriftlich, d.h. mit Unterschrift versehen, beim Arbeitsgericht eingelegt werden. Er kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts erklärt werden.
Die Frist für die Einlegung des Einspruchs beträgt eine Woche; sie kann nicht verlängert werden. Innerhalb dieser Frist muss der Einspruch beim Arbeitsgericht eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils.
Die Einspruchsschrift muss enthalten:
1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;
2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
Wird der Einspruch nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt, so ist er als unzulässig zu verwerfen.
Die Anschrift des Arbeitsgerichts Hamburg lautet:
Osterbekstraße 96, 22083 Hamburg
Dr. D."
Der elektronische Rechtsverkehr mit dem Arbeitsgericht ist seit dem 1. Dezember 2014 in allen Verfahren eröffnet (vgl. Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in Hamburg vom 28. Januar 2008).
Mit Schriftsatz vom 19. September 2016, bei Gericht per Fax vorab am 19. September 2016 eingegangen, haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten Einspruc...