Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei Verwendung einer falschen Fax-Nummer
Leitsatz (amtlich)
1.Die Verwendung einer unzutreffenden Fax-Nummer ist schuldhaft im Sinne des § 233 ZPO, wenn diese Fax-Nummer einem „Rechtsanwaltsprogramm” entnommen wurde, das nicht auf dem neuesten Stand ist.
2. Eine Ausgleichsquittung in vorformulierten Vertragsbedingungen ist gem § 307 Abs 1 Seite 1 BGB unwirksam, wenn der Arbeitnehmer für einen Klageverzicht nichts erhält.
Normenkette
ZPO §§ 233, 85
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 23.07.2003; Aktenzeichen 27 Ca 103/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. Juli 2003 – 27 Ca 103/02 – wird unter Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die ordentliche Kündigung mit Schreiben der Beklagten vom 18. Februar 2002 zum 30. März 2002 sowie um die Kündigung gleichen Datums zum 31. März 2002, welche die Klägerin am 22. Februar 2002 erhielt.
Die Klägerin ist seit dem 01. März 2001 im Betrieb der Beklagten als Hilfskraft tätig, zuletzt mit einem Bruttogehalt von EUR 1.169,67. Bei Übergabe der ersten Kündigung am 18. Februar 2002 und am 22. Februar 2002 unterzeichnete die Klägerin jeweils eine „Ausgleichsquittung”, mit der sie sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. bzw. 31. März 2002 einverstanden erklärte. Im zweiten Absatz der Ausgleichsquittung findet sich der Text:
„Ich erkläre ausdrücklich, dass ich von meinem Recht, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen, Abstand nehme oder eine mit diesem Ziel bereits erhobene Klage nicht mehr fortführe.”
Im 3. Absatz der Ausgleichsquittung war jeweils angekreuzt: „Mir genügt eine Zwischenbescheinigung” und „Ich bitte um ein qualifiziertes Zeugnis”.
Mit der am 21. Februar 2002 zu Protokoll aufgenommenen Klage hat die Klägerin zunächst beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18. Februar zum 30. März 2002 aufgelöst ist, sondern fortbesteht.
In der Güteverhandlung am 22. April 2002 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass sich die Klage auch gegen die zweite Kündigung richtet.
In der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2003 erging gegen die erschienene aber nicht verhandelnde Klägerin klagabweisendes Versäumnisurteil.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19. Februar 2003 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. Februar 2002 zum 30. März 2002 noch durch die weitere ordentliche Kündigung vom 18. Februar 2002 zum 31. März 2002 noch infolge Ausgleichsquittung geendet hat, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die Klage mit den alten und den neuen Anträgen abzuweisen.
Die Klägerin, welche die angegriffenen Kündigungen für sozial ungerechtfertigt hält, hat ausgeführt: Die Ausgleichsquittungen seien unbeachtlich. Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 04. Juli 2002 sei – wie unstreitig ist – die Vereinbarung vom 22. Februar 2002 widerrufen und vorsorglich die Anfechtung erklärt worden. Das Widerrufsrecht ergebe sich aus § 312 BGB n. F. Sie habe die Ausgleichsquittungen auf Veranlassung der Beklagten unterzeichnet. Die Kündigungen seien ausgesprochen worden, weil sie seit dem 28. Januar 2002 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Am 18. Februar 2002 sei sie trotz Erkrankung bei der Beklagten erschienen und von der verärgerten Disponentin angeschrieen worden. Sie habe nicht das versprochene Zeugnis, sondern vielmehr die Kündigung erhalten. Ihr sei erklärt worden, das Zeugnis erhalte sie nur und den Raum könne sie erst dann verlassen, wenn sie die ihr vorgelegte Ausgleichsquittung unterzeichne. Sie sei davon ausgegangen, den Empfangsvermerk auf der Kündigung zu unterzeichnen. Der Inhalt der Ausgleichsquittung sei verdeckt worden. In vergleichbarer Weise sei es auch zur zweiten Ausgleichsquittung gekommen, als sie ihre Folgebescheinigung habe übergeben wollen. Der Text der Ausgleichsquittung sei wiederum verdeckt worden. Begründet sei die Anfechtung nicht nur wegen Erklärungsirrtums, sondern auch wegen arglistiger Täuschung. Die formularmäßig verwendeten Ausgleichsquittungen hielten schließlich einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB n. F. nicht stand.
Die Beklagte ist den Rechtsausführungen der Klägerin im Einzelnen entgegengetreten und hat erwidert: Das Gespräch am 18. Februar 2002 habe in einer ruhigen Atmosphäre stattgefunden. Die Klägerin habe das Büro aus freien Stücken aufgesucht und habe jederzeit auch wieder gehen können. Ein Zwischenzeugnis sei nicht angeboten worden, weil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Thema gewesen sei. Nachdem die Klägerin den Erhalt der Kündig...