Leitsatz (amtlich)
1. Wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben zwar einen Kündigungsgrund oder mehrere Kündigungsgründe konkret schriftlich niedergelegt hat, die Begründung aber unvollständig ist, weil er von der Wiedergabe weiterer subjektiv erheblicher Kündigungsgründe oder subjektiv erheblicher und wesentlicher Kündigungstatsachen eines im Kündigungsschreiben konkret enthaltenen Kündigungsgrundes abgesehen hat, führt dies nicht gemäß § 15 Abs. 3 BBiG zur Nichtigkeit der Kündigung. Der durch die gesetzliche Regelung bezweckte Übereilungsschutz wird in einem solchen Fall nicht beeinträchtigt. Dem Normzweck der Rechtsklarheit und Beweissicherung kann in diesem Fall dadurch Genüge getan werden, daß der Arbeitgeber nur solche Kündigungsgründe … im Rechtsstreit geltend machen kann, die er im Kündigungsschreiben angegeben hat.
2. Es bleibt dahingestellt, ob § 15 Abs. 3 BBiG das Nachschieben von im Kündigungsschreiben nicht angegebenen weiteren Kündigungsgründen auch dann generell ausschließt, wenn dem Kündigenden diese Kündigungsgründe erst nach Ausspruch der Kündigung bekanntwerden. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist ein Nachschieben solcher weiteren Kündigungsgründe jedenfalls nur zuzulassen, wenn der Kündigende sie dem Gekündigten unverzüglich schriftlich mitgeteilt hat, nachdem er von ihnen Kenntnis erlangt hat.
Normenkette
BBiG § 15 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 18.04.1997; Aktenzeichen 3 Ca 431/96) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18. April 1997 – 3 Ca 431/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 18. November 1996 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der am 21. April 1976 geborene Kläger gegen die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses mit Schreiben vom 31. Juli 1996 (Anlage K 2, Bl. 7 d.A.).
Zwischen den Parteien bestand seit dem 1. September 1993 ein Ausbildungsverhältnis. Der Kläger sollte zum Glaser ausgebildet werden. Er verdiente im 3. Ausbildungsjahr 860,– DM brutto monatlich (vgl. Anlage K 1, Bl. 5 f. d.A.). Seit dem Jahre 1995 war das Ausbildungsverhältnis belastet. Am 21. April 1995 kam es zu einer ersten außerordentlichen Kündigung durch die Beklagte. Diese Kündigung wurde auf Empfehlung des Ausschusses für Lehrlingsstreitigkeiten in der Landesinnung des Glaserhandwerks Hamburg zurückgenommen. Am 8. November 1995 wurde das Ausbildungsverhältnis erneut von der Beklagten fristlos gekündigt. Die vom Kläger wegen dieser Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage wurde beim Arbeitsgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen – 3-Ca 53/96 – geführt. Die Kündigung war begründet worden mit Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Bl. 13 des Beiakte 3 Ca 53/96). Aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 15. März 1996 wurde das Ausbildungsverhältnis mit Wirkung ab 18 März 1996 fortgeführt (Bl. 4 der Beiakte).
In der Folgezeit kam es erneut zu Fehlzeiten des Klägers. Am 31. Juli 1996 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut. Das Kündigungsschreiben hat folgenden Wortlaut (vgl. Anlage K 2, Bl. 7 d.A):
„Hiermit kündigen wir den Ausbildungsvertrag vom 8. Februar 1993 fristlos.
Begründung:
Seit Montag, den 29. Juli 1996 bis heute Mittwoch, den 31. Juli 1996 – 17 Uhr –, fehlen Sie unentschuldigt, obwohl Sie selbst am Freitag, den 26. Juli 1996, telefonisch angekündigt hatten, daß Sie am Montag, den 29. Juli 1996, zur Arbeit erscheinen werden.”
Für die Fehlzeit ab 29. Juli 1996 ging bei der Beklagten am 1. August 1996 und damit noch vor dem Zugang des Kündigungsschreibens beim Kläger am 2. August 1996 die zugehörige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein.
Am 13. August 1996 war die Gesellenprüfung des Klägers. Er bestand nicht.
Der Kläger rief nach Zugang der Kündigung den Ausschuß für Lehrlingsstreitigkeiten in der Landesinnung des Glaserhandwerks Hamburg an. Am 18. September 1996 kam es zu einer Verhandlung. Der Ausschuß kam zu folgendem Schlichtungsergebnis (Anlage K 3, Bl. 8, 8 R d.A):
„Der Ausschuß beschließt einstimmig, daß wegen des erneuten Verstoßes gegen die Nachweispflicht bei Vorlage der Arbeitsunfähigkeit und aufgrund der vorherigen Verhandlungen vor dem Ausschuß für Lehrlingsstreitigkeiten sowie des erkennbaren Gesamtverhaltens des Antragstellers die außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses gerechtfertigt ist.”
Dieser Spruch wurde dem Kläger am 28. Oktober 1996 zugestellt. Der Spruch enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe keineswegs unentschuldigt gefehlt. Er habe die den 29. Juli und die Zeit vom 30. Juli bis 6. August 1996 umfassenden ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ordnungsgemäß per Post an die Beklagte übermittelt. Sie hätten bei ordnungsgemäßem Postablauf vor Ausspruch der Kündigung der Beklagten vorliegen müssen. Ein Verstoß gegen die Informationsverpflichtungen könne eine fristlose...