rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifkonkurrenz
Leitsatz (redaktionell)
Unterfällt ein Arbeitgeber dem tariflichen Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge, so entsteht eine Tarifkonkurrenz, wenn sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber tarifgebunden sind. Ist nur eine der Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, so entsteht eine Tarifpluralität. Die Tarifkonkurrenz ist nach dem Prinzip der Tarifeinheit dahingehend aufzulösen, dass nur der speziellere Tarifvertrag zur Anwendung kommt. Das ist der Tarifvertrag, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht wird. Firmentarifverträge stellen dabei gegenüber Verbandstarifverträgen stets die speziellere Regelung dar.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 3, 1, § 5 Abs. 4; Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hamburg vom 18.08.2006
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 28.05.2008; Aktenzeichen 24 Ca 168/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. Mai 2008 – 24 Ca 168/07 – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 670,42 brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf EUR 221,53 brutto seit dem 16.5.2007, auf EUR 184,23 brutto seit dem 16.6.2007, auf EUR 130,89 brutto seit dem 16.7.2007 und auf EUR 133,77 brutto seit dem 16.8.2008.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Differenzvergütung in Anspruch. Die Parteien streiten darüber, ob ein Firmentarifvertrag oder ein Flächentarifvertrag auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden ist.
Der Kläger wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der FIS Service- und Beratungs-GmbH (im Folgenden; „FIS-alt”), zum 17. April 1998 gemäß Arbeitsvertrag vom 11. März 1998 (vgl. Anlage K 3, Bl. 34 f. d. A.) als Luftsicherheitsassistent eingestellt. Er gehört keiner Gewerkschaft an.
Der Arbeitsvertrag enthält in § 4 folgende Vergütungsregelung:
„I.
Der Arbeitnehmer erhält für seine vertragliche Tätigkeit einen Stundenlohn von DM 14,00.
II.
An Sonntagen erhöht sich dieser Stundenlohn um 25 % und an gesetzlichen Feiertagen um 100 %.”
§ 16 Abs. 1 (Schlussbedingungen) lautet wie folgt:
„Ergänzungen und Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für diesen Absatz.”
Seit dem 1. Januar 2004 wandte die „FIS alt” aufgrund eines mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) abgeschlossenen Tarifvertrages die
Firmentarifverträge der FIS-Gruppe, in Kraft seit 1. Januar 2004, in ihrem Unternehmen an. Von diesem Zeitpunkt an erhielt auch der Kläger Leistungen nach den Firmentarifverträgen der FIS-Gruppe. Nach den Regelungen der FIS-Firmentarifverträge erhielt der Kläger einen höheren als den vertraglich vereinbarten Stundenlohn bei ansonsten gleichen Zuschlägen. Mit der Einführung der FIS-Firmentarifverträge war eine Einmalzahlung von EUR 300,00 brutto verbunden, die der Kläger akzeptierte.
Die FIS-alt verfasste im Mai 2004 ein Formschreiben, das sie allen Mitarbeitern zur Unterschrift vorlegte (Anlage B1, Bl. 53, 54 d.A.). Durch Unterzeichnung dieses Schreibens sollten die Mitarbeiter der Anwendung der FIS-Firmentarifverträge ausdrücklich zustimmen. Unter dem 8. Juni 2004 (Anlage B 2, Bl. 115 d. A.) stimmte der Kläger der Anwendung des Haustarifvertrages der FIS GmbH auf sein Arbeitsverhältnis schriftlich zu.
Der Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hamburg, abgeschlossen zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V. Landesgruppe Hamburg und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, Landesbezirk Hamburg (LTV Wach- und Sicherheitsgewerbe) war am 1. Januar 2004 noch allgemeinverbindlich und regelte einen höheren Stundenlohn für Luftsicherheitsassistenten als die FIS- Firmentarifverträge. Die Allgemeinverbindlichkeit endete am 29. Februar 2004.
Seit dem 1. Oktober 2006 sind der derzeit gültige MTV und LTV Wach- und Sicherheitsgewerbe vom 18. August 2006 für allgemeinverbindlich erklärt; die Regelung unter § 2 VIII (Tätigkeit an Verkehrsflughäfen) ist seit dem 2. Dezember 2006 allgemeinverbindlich. Die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages vom 18. August 2006 endete zum 30. September 2008.
Die Beklagte wurde am 14. Dezember 2006 zunächst unter der Firmierung „FIS Deutschland F+I Service GmbH” unter HRB 85528 beim Amtsgericht Darmstadt eingetragen.
Unter dem Datum vom 21. Februar 2007 wurde eine „Vereinbarung zur Anwendung der Tarifverträge für die Beschäftigten der FIS F+I Service- und Beratung GmbH auf die Beschäftigten der FIS Deutschland F+I Service GmbH” (im Folgenden: Vereinbarung vom 21. Februar 2007) namens der Gewerkschaft ver.di von Herrn Sc. und Herrn R., namens der Beklagten von deren Ges...