Entscheidungsstichwort (Thema)
Massenentlastung. Betriebsübergang. Gemeinschaftsbetrieb. konzernbezogener Kündigungsschutz
Leitsatz (amtlich)
Für die Annahme eines Betriebsübergangs (§ 613 a BGB) eines Hafenumschlagsbetriebs mit insgesamt rund 100 Arbeitnehmern auf einen anderen ebenfalls zum Konzern gehörenden Hafenumschlagsbetrieb reicht es nicht aus, daß die bei dem stillgelegten Betrieb bisher abgefertigten Linien (Reedereien) sich umorientieren und nunmehr ganz überwiegend ihre Schiffe bei dem erhalten gebliebenen Betrieb eines anderen Konzernunternehmens (in einem anderen, einige Kilometer entfernten Hafenbecken) ihre Schiffe löschen lassen.
Ein Hafenumschlagsbetrieb besteht (weil kein reines Dienstleistungsunternehmen wie etwa eine Gebäudereinigungsfirma) nicht nur aus den (überwiegend) gewerblichen Hafen(fach)arbeitern, sondern wesentlich auch aus Kaianlagen, Kränen Kaischuppen und Gabelstaplern usw. Selbst wenn in dem zweiten Umschlagsbetrieb (bei insgesamt rückläufigen Umsätzen im Stückgutbereich) zumindest vorübergehend seit der Stillegung nun entsprechend mehr Arbeit anfallt und zu diesem Zweck auch 8 Plätze für Hafenmultifacharbeiter zusätzlich zu besetzen sind, laßt sich das nicht als Betriebsübergang qualifizieren, zumal es sich bei den neu Einzustellenden 8 Hafenarbeitern nicht um einen wesentlichen Teil der Stammbelegschaft oder wenigstens um sog. Know-how-Träger handelt.
Auch die Grundsätze eines konzernbezogenen Kündigungsschutzes greifen nicht ein wenn keine organisierte Einheit (wirtschaftliche Identität) auf den zweiten Umschlagsbetrieb verlagert wird, obwohl dort der Arbeitsanfall entsprechend angewachsen ist, der aber zusätzlich durch Heranziehung von Arbeitern eines anderen Konzernunternehmens (eines reinen Stauereibetriebs) oder durch Gesamthafenarbeiter aufgefangen wird, falls die eigene Kapazität nicht ausreicht.
Ein Gemeinschaftsbetrieb setzt nach ständiger Rechtsprechung einen einheitlichen Leitungsapparat voraus. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Kläger, der den Mangel der Sozialauswahl rügt. Es bleibt unentschieden, ob das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs überhaupt geprüft werden muß, wenn zum Ende der geplanten Massenentlassung wegen (ganz überwiegender) Stillegung des einen Betriebs spätestens zu diesem Zeitpunkt kein Gemeinschaftsbetrieb mehr bestehen wird.
Ein Mangel der Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG (hier: keine Mitteilung des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 2 Ziffer 6, weil ein Sozialplan erst Monate später zustande kam) führt nicht zur Unwirksamkeit der Entlassung, wenn sich der Gekündigte im Prozeß darauf beruft.
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 17
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Teilurteil vom 11.07.2001; Aktenzeichen 27 Ca 19/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. Juli 2001 – 27 Ca 19/01 – dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Sozialwidrigkeit einer betriebsbedingten Kündigung, insbesondere darüber, ob die Beklagte mit einem andern Konzernunternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb bildet und ob nicht ein konzerndimensionaler Kündigungsschutz bestanden hat bzw. eine entsprechende Selbstbindung anzunehmen ist, in erster Linie jedoch über die Frage, ob die Kündigung wegen eines Betriebsteilübergangs ausgesprochen worden ist und bereits deshalb rechtsunwirksam ist.
Der 1969 geborene Kläger wurde von der Beklagten (die damals noch unter der Firma … Lager- und Speditions-Gesellschaft mbH handelte) zum 1. Oktober 1991 als Hafenarbeiter eingestellt. Der Kläger hatte seinen Wohnsitz damals noch in Eisenhüttenstadt.
Auf das Arbeitsverhältnis sind der überörtliche Rahmentarifvertrag für Hafenarbeiter und die tariflichen Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen kraft Vereinbarung sowie beiderseitiger Tarifbindung anwendbar. Die tarifliche Kündigungsfrist beträgt nach einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren einen Monat zum Monatsende und nach zehn Jahren drei Monate zum Ende eines Kalendervierteljahrs.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis unter dem 28. Dezember 2000 aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Januar 2001 (Bl. 4 d. A.).
Zum Kündigungszeitpunkt existierte wegen der geplanten Einstellung des Umschlagsbetriebs bereits ein Interessenausgleich, aber noch kein Sozialplan.
Zur Einstellung des Umschlagsbetriebs am Kuhwerder-Terminal und zur Konzerngebundenheit ist folgendes unstreitig:
Die Gesellschafterin der Beklagten, … (AG & Co.), beschloß am 9. August 2000, den Betrieb der Beklagten mit Ausnahme des sog. Greiferumschlags einzustellen. Der Beschluß der Gesellschafterin hat folgenden Wortlaut (Bl. 320 und 373 d. A.):
„Die … GmbH ist verlustbringend tätig. Die Gesellschaft ist nicht existenzfähig.
Es wird beschlossen, die Aktivitäten der Gesellschaft als Hafenumschlagsbetrieb einzustellen. Ausgenommen...