Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert im Beschlussverfahren. nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Unterlassungsbegehren. Bewertung bei Haupt- und Hilfsantrag. Betriebsänderung. Auswahlrichtlinien
Leitsatz (redaktionell)
1. § 23 Abs. 3 RVG stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Weg nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstands vielfach im Vordergrund stehen muss.
2. Wird vom Arbeitgeber die Unterlassung bestimmter Handlungen verlangt und macht der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht etwa nach § 87 BetrVG oder nach § 111 BetrVG geltend, so handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit.
3. Die Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts gehen in ständiger Rechtsprechung in Fällen, in denen es um eine Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG in Form eines Personalabbaus geht, unter Zugrundelegung der gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 1 KSchG für die Wertfestsetzung von einem Teilwert von 666,66 EUR (4.000:6) für jeden von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer aus.
4. Der rechnerisch zu ermittelnde volle Wert kann dann nicht berücksichtigt werden, wenn der zu bewertende Antrag nicht auf § 111 BetrVG, sondern auf eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 95 BetrVG gestützt worden ist. Darüber hinaus ist wertmindernd zu berücksichtigen, dass sich der geltend gemachte Anspruch nur auf einen eng begrenzten Zeitraum bezog, allerdings mit einer möglichen Konsequenz der Verschiebung aller Kündigungsfristen um einen Monat. Aus diesem Grund ist es sachgerecht, ein Drittel des errechneten vollen Werts in Ansatz zu bringen.
Normenkette
RVG § 23 Abs. 3, § 33 Abs. 3; ArbGG § 85 Abs. 2; BetrVG §§ 95, 111
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Beschluss vom 08.04.2010; Aktenzeichen 1 BVGa 4/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Rheine vom 08.04.2010 – 1 BVGa 4/10 – abgeändert.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 23.777,66 EUR festgesetzt.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
I.
Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens von der Arbeitgeberin verlangt, den Ausspruch von Kündigungen gegenüber 53 Arbeitnehmern vor dem 01.03.2010 zu unterlassen. Hilfsweise hat er von der Arbeitgeberin die Unterlassung verlangt, auf die Kündigungen mitbestimmungswidrig ein Punkteschema für die soziale Auswahl anzuwenden.
Mit einem inzwischen rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 25.02.2010 wurde der Hauptantrag abgewiesen, während dem Hilfsantrag stattgegeben wurde.
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 08.04.2010 den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 12.000,00 EUR festgesetzt.
Gegen den am 13.04.2010 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.04.2010 haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 26.04.2010 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 26.04.2010 nicht abgeholfen hat.
Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats sind der Auffassung, der Wert des Gegenstandes müsse anhand der zu § 111 BetrVG in Verbindung mit § 17 KSchG entwickelten Grundsätze festgesetzt werden. Der Streit im vorliegenden Beschlussverfahren sei nicht ausschließlich nichtvermögensrechtlicher Art. Der Hauptantrag hätte zwangsläufig die Verlängerung der jeweiligen Kündigungsfrist um mindestens einen Monat zur Folge.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist begründet.
Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war gemäß § 23 Abs. 3 RVG auf 23.777,66 EUR festzusetzen. Dabei war der Antrag zu 1. mit einem Wert von 11.777,66 EUR, der Hilfsantrag mit 12.000,00 EUR zu bemessen.
1. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.
a) § 23 Abs. 3 RVG stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Weg nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt ...