Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweispflicht des Arbeitsgerichts beim Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren auf mangelnde Erfolgsaussichten im Hauptverfahren.
Leitsatz (redaktionell)
Verbleibende Ungewissheiten bezüglich des Vortrags eines Antragstellers können und müssen im Prozesskostenhilfeverfahren durch diesbezügliche gerichtliche Hinweise ausgeräumt werden, wenn dies für die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ausschlaggebend ist. Das Arbeitsgericht ist verpflichtet, vor einer Entscheidung, mit der es Prozesskostenhilfe zurückweist, auf Mängel der Klagebegründung, die eine Erfolgsaussicht in Frage stellen oder eine Mutwilligkeit der Klageerhebung begründen können, zeitnah hinzuweisen, statt zunächst einen Antrag unbearbeitet zu lassen und erst kurz vor bzw. nach Instanzbeendigung das Prozesskostenhilfegesuch aus diesem Grund abzulehnen.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; ZPO § 117 Abs. 2, 4, § 118 Abs. 2 S. 4, § 139
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Entscheidung vom 31.05.2022; Aktenzeichen 3 Ca 1493/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 31. Mai 2022 (3 Ca 1493/21) aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger erhob unter dem 30. Dezember 2021 eine Kündigungsschutzklage. Zugleich beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, was er wie folgt begründete:
Der Kläger ist aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht der Lage, für die Kosten des Verfahrens aufzukommen, entsprechende verhält sich beigefügte Erklärung nebst Belegen.
Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers unter Verwendung des amtlichen Vordrucks nebst Belegen war nicht beigefügt. Ein Hinweis des Arbeitsgerichts hierauf erfolgte während des gesamten Verfahrens nicht.
Im Termin vom 11. Mai 2022 schlossen die Parteien einen bestandskräftigen Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, mit dem zugleich ein weiteres vor einer anderen Kammer des Arbeitsgerichts später anhängig gewordenes Verfahren über Zahlungsansprüche miterledigt wurde. In diesem Verfahren (4 Ca 267/22) hatte der Kläger ebenfalls Prozesskostenhilfe beantragt und zunächst zur Begründung auf die Erklärung nebst Belegen in einem weiteren Verfahren verwiesen, das unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1401/21 in der Kammer anhängig war, welche die hier angefochtene Entscheidung erlassen hat. Später (am 30. März 2022) hatte er eine aktuelle Erklärung nebst Belegen in dem Verfahren vor der 4. Kammer eingereicht, welche sodann unter dem 25. April 2022 Prozesskostenhilfe bewilligte.
Im vorliegenden Verfahren wies das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2022 unter Hinweis auf die fehlende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zurück. Gegen die am 1. Juni 2022 zugestellte Entscheidung legte der Kläger am 7. Juni 2022 sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung verwies er auf das Verfahren 4 Ca 267/22 und allgemein auf weitere vorher in der erkennenden Kammer anhängig gewesenen Verfahren und vertrat die Ansicht, dass er eine neue Erklärung nicht habe vorlegen müssen, weil das Gericht auf die Vorverfahren habe zugreifen können. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und dies damit begründet, die Bezugnahme auf einen im Parallelverfahren eingereichten Vordruck sei nur zulässig, wenn dieser in Kopie beigefügt werde mit der Erklärung, dass sich an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nichts geändert habe.
II. Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet und führt zur Zurückverweisung des Bewilligungsverfahrens an das Arbeitsgericht. Zwar hat der Kläger bis zur Beendigung des Rechtsstreits keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Dies steht einer - rückwirkenden - Bewilligung nicht entgegen, weil das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht verletzt hat und davon auszugehen ist, dass bei rechtzeitiger Erteilung eines Hinweises der Kläger noch vor Beendigung des Verfahrens die Erklärung zu den Akten gereicht hätte. Dazu hat das Arbeitsgericht zunächst die aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers aufzuklären.
1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine Prozesskostenhilfebewilligung ausgeschlossen ist, wenn bis zur Beendigung der Instanz ein bewilligungsfähiger Antrag nicht vorgelegt wird. Dazu gehört gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO zwingend die Verwendung des amtlichen Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. BVerfG 8. November 2018 - 1 BvR 1020/17 - juris, Rn. 1; 27. Oktober 2017 - 1 BvR 1746/16 - juris, Rn. 3; BAG 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - juris, ...