Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmung. Betriebsrat. außerordentlichen Kündigung. Ersatzmitglied. Verhinderung

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach Beendigung des Vertretungsfalls und damit der Amtszeit besitzt das Ersatzmitglied nur noch nachwirkenden Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG. Zur Kündigung bedarf es aber keiner Zustimmung des Betriebsrats mehr.

 

Normenkette

BetrVG § 25 Abs. 1 S. 2, § 103; KSchG § 15 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Beschluss vom 07.08.2008; Aktenzeichen 2 BV 20/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 07.08.2008 – 2 BV 20/07 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Arbeitgeberin gegehrt die Ersetzung der vom Betriebsrat nicht erteilten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des beteiligten Arbeitnehmers S3.

Der am 18.12.1954 geborene, ledige Beteiligte S3 trat mit Wirkung ab 01.01.1984 in die Dienste der Arbeitgeberin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin. Er kam zuletzt als Kundenberater zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 4.935,04 EUR zum Einsatz; daneben ist er das fünfte Ersatzmitglied im bestehenden 15-köpfigen Betriebsrat.

Nach dem Anstellungsantrag vom 28.04./03.05.2004 trifft den Beteiligten S3 eine Verschwiegenheitspflicht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf § 10 des Vertrages als Anlage zum Antragsschriftsatz vom 17.08.2007 (Bl. 25 d. A.).

Im Zuge eines Studiums an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel reichte der Beteiligte S3 dort am 15.03.2007 eine Masterarbeit zum Thema „Entwicklung einer Konzeption für ein prozessorientiertes Qualitätsmanagement am Beispiel der Abteilung Kunden-Servicecenter-Technik im Vertrieb einer genossenschaftlichen Rechenzentrale” ein. Auf Seite 102 der Arbeit befindet sich ein vom Beteiligten S3 selbst gefertigter „Sperrvermerk” folgenden Inhalts:

Diese Arbeit enthält vertrauliche Daten der G1 eG – IT für Banken, 12345 M1, W2 S1 51. Veröffentlichungen oder Vervielfältigungen dieser Arbeit – auch auszugsweise – sind ohne ausdrückliche Genehmigung der Geschäftsleitung der G1 eG nicht gestattet.

Am 27.06.2007 beantragte er bei der Arbeitgeberin einen finanziellen Zuschuss und übergab ihr auf Anforderung ein Exemplar der Masterarbeit.

Nach Durchsicht des Werks und Anhörung des Beteiligten S3 am 09.08.2007 wandte sich die Arbeitgeberin am 13.08.2007 an den Betriebsrat mit dem Antrag auf Zustimmung zu dessen außerordentlicher Kündigung. Darin heißt es unter anderem:

1. Herr S3 ist mit Wahl vom 15.03.2006 zum Ersatzmitglied des Betriebsrats der G1 eG gewählt worden. Zuletzt hat Herr S3 für den Betriebsrat an der Sitzung am 02.08.2007 teilgenommen.

3. …

Nach Durchsicht der Masterarbeit stellte sich heraus, dass Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der G1 eG von Herrn S3 in seiner Arbeit dargestellt wurden. Dabei handelt es sich unter anderem um folgende Komplexe:

  1. Komplex: Detaillierte Beschreibung der Organisationsstruktur und der internen Prozesse der Organisationseinheit KST
  2. Komplex: Beschreibung des Informationsmanagements und

    insbesondere von Störungen in der Callbearbeitung über OCTOHelp anhand von Einzelbeispielen und zum Teil auch unter Benennung von externen Geschäftspartnern.

  3. Komplex: Detaillierte Beschreibung der von der G1 eG durchgeführten telefonischen Kundenbefragung inkl. der Ergebnisse der Auswertung

Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 16.08.2007 seine Zustimmung verweigert hatte, leitete die Arbeitgeberin am 17.08.2007 das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Im Laufe des Verfahrens teilte der Beteiligte S3 durch Schriftsatz vom 15.10.2007, der Arbeitgeberin zugegangen am 19.10.2007, mit, dass er am 17.08.2007 nicht als Ersatzmitglied nachgerückt sei.

Daraufhin hörte die Arbeitgeberin am 28.10.2007 den Betriebsrat „für den Fall, dass (der Beteiligte S3) nicht durchgehend im Zeitpunkt der Anhörung als Ersatzmitglied zur Betriebsratsarbeit herangezogen wurde”, rein vorsorglich zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an, die sie sodann am 30.10.2007 aussprach.

Die Arbeitgeberin hat darauf verwiesen, wegen der sommerlichen Urlaubszeit habe der Beteiligte S3 praktisch ständig ein abwesendes Betriebsratsmitglied vertreten. Wegen der damit verbundenen Ungewissheit hinsichtlich des Amtsschutzes sei es gerechtfertigt, das vorliegende Ersetzungsverfahren durchzuführen.

In der Sache sei die beabsichtigte außerordentliche Kündigung gerechtfertigt – namentlich wegen der gravierenden Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht und weil der Beteiligte S3 auch während der Arbeitszeit an seiner Masterarbeit gearbeitet habe.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrates der G1 eG zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Ersatzmitgliedes des Betriebsrats Herrn W3 S3 zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte S3 haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, das Zustimmungsersetzungsverfahren sei von vornherein nicht erforderlich gewesen, weil er, der B...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge